Peter Turrini hat ihnen die Rollen auf den Leib geschrieben: Erwin Steinhauer als liebenswürdig nachdenklicher Buchhändler und Herbert Föttinger als cholerischer Romanistik-Dozent mit deutlichem Rechtsdrall brillieren in „Bis nächsten Freitag“ als gealtertes Freundespaar. Und retten damit das Auftragswerk, das Turrinis Leiden an der Welt und am Alter wenig subtil ins Rampenlicht stellt.

Eigentlich sind sie ja eher einstige Schulkollegen als -freunde. Der selbstherrliche Dozent Werner Hahn war schon als Schüler ein eitler Gockel, sein Klassenkamerad Richard Nowak als „dicker Jesus“ so etwas wie sein Mobbing-Opfer. Jetzt treffen sie einander jeden Freitag im Gasthaus, um Jugenderinnerungen aufzufrischen und zu hören, wie es dem anderen im Leben so ergangen ist.

Das ist am ersten Freitag etwas mühsam, haken sie doch bei Leberknödelsuppe und tschechischem Bier bloß aktuelle gesellschaftspolitische Themen wie Stichworte auf einer To-do-Liste ab. Dabei werden die ideologischen Gegensätze zwischen den beiden alternden Männern immer deutlicher. Von Corona bis Trump, vom Gendern bis zu den Flüchtlingen, nichts ist vor der Wut des frustrierten Akademikers sicher, während der wehleidig-melancholische Buchhändler die Belehrungen des Dozenten über sich ergehen lässt: „Du musst genau hinschauen, schau hinter die Kulissen!“

Autor Peter Turrini
Autor Peter Turrini © (c) APA/GERT EGGENBERGER (GERT EGGENBERGER)

Dass es hinter den persönlichen Kulissen für die beiden erbärmlichen Helden düster aussieht, wird an den folgenden Freitagen klar. Denn die Fassade aus Altherrenwitzen und Kulturpessimismus bröckelt, als der Dozent von seiner Krebserkrankung berichtet und der Buchhändler erzählt, dass er von seiner Freundin verlassen worden ist. Der Stimmungswechsel vom banalen, frauenfeindlichen und politisch völlig unkorrektem Geplauder („Lieblingsneger, Quotentussi“) zu Alpträumen und Ängsten vor dem Alleinsein wird nach und nach durch das Abgleiten in eine surreale Phantasiewelt deutlich. Da ist die tschechische Kellnerin (eindrucksvoll böhmakelnd: Silvia Meisterle), die „etwas sehr Schönes entdeckt“ hat, es aber nicht verrät. Dort tanzt der Taubstumme (als pantomimischer Clown: Marcello De Nardo) selbstvergessen zu Musik aus dem Grammophon und erzählt ein kleinwüchsiges Hochzeitspaar seine Liebesgeschichte (Andrea Mühlbacher, Sascha Schicht). Was in der nüchternen Gaststube zweieinhalb Theater-Stunden zuvor mit minimal-music-artiger Klaviermusik (von Ludovico Einaudi) begonnen hat, verstummt schließlich in einem Totentanz, zu dem sich der kranke Dozent widerwillig von dem Taubstummen animieren lässt.

Herbert Föttinger als Werner Hahn und Erwin Steinhauer als Richard Nowak
Herbert Föttinger als Werner Hahn und Erwin Steinhauer als Richard Nowak © APA / Tobias Steinmaurer

Regisseur Alexander Kubelka, der auch als Bildhauer tätig ist, setzt diesen Text voller Stammtischthemen und Kalauer („Alle sind schwul, daher spricht man von der globalen Erderwärmung.“) mit seinem raffinierten Bühnenbild drastisch und poetisch in Szene. Ein düsterer, hermetischer Raum wird von einer Art Kronleuchter beherrscht, der sich zum Uhrenpendel, zur Bar oder zum Ringelspiel transformiert.

Existenzielle Verzweiflung

Wenn Erwin Steinhauer als Buchhändler und Hausherr Herbert Föttinger als Dozent unter zunehmenden Alkoholeinfluss verbal und körperlich in den Clinch gehen, ist nur mehr wenig von männlicher Überheblichkeit, aber viel von existenzieller Verzweiflung spürbar. Dass das Ganze nicht gut ausgehen kann, ist bald klar. Und wenn Peter Turrini sein Alter Ego Erwin Steinhauer sagen lässt: „Ich habe mich immer in Bücher geflüchtet“, hört man die oft geschilderten Kindheitserinnerungen des Autors heraus, der kommendes Jahr seinen 80. Geburtstag feiert. Der Nachsatz im Stück klingt dann nach Ernüchterung: „Ich finde keine Wunder mehr in ihnen, sondern nur Worte.“

Ein bisschen weniger Worte hätten es bei dieser Inszenierung, die vom Premierenpublikum euphorisch bejubelt wurde, aber auch getan.