In Mythen und Märchen spielt der Spiegel seit je her eine glanzvolle Rolle. Er ist Mittel zur Selbsterkenntnis, dient als Tor zur Unterwelt, kann Ungeheuer wie die Gorgo Medusa erstarren lassen oder verrät auf magische Weise, wer „die Schönste im Land“ ist. Als Utensil der Eitelkeit kennt ihn die Menschheit, das belegen Artefakte aus poliertem Obsidian, schon seit prähistorischer Zeit. Kein Wunder also, dass der Kärntner Designguru Walter Hösel irgendwann auf die Idee kommen musste, dem „Mirror“ seine bewundernde Aufmerksamkeit zu schenken. Nach Ausstellungen zu Themen wie „Tabernakel“, „Tischlein“ oder zuletzt „Stummer Diener“ stellte er diesmal die beschwörende Frage: „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer hat die beste Design-Idee im ganzen Land?“ Das Ergebnis seiner diesbezüglichen Suche ist derzeit Gegenstand der Ausstellung „Mirror Mirror“ im kärnten.museum.

Kongeniales Zusammenspiel

Auch bei seiner jüngsten Ausschreibung ging es dem ehemaligen bene-Chef und Mitbegründer des „Blauen Würfels“ um das produktive Zusammenspiel von Kunst, Design und Handwerk. Die Vereinigung dieser Bereiche sei „nicht nur wirtschaftlich vorteilhaft, sondern auch eine Quelle der Innovation. Sie kann zu bahnbrechenden Lösungen in Bereichen wie Produktdesign, Architektur und Mode führen“, nennt Hösel ein zentrales Motiv seines bereits sechsten Projektes dieser Art. Gleichzeitig bietet für ihn die Integration von Kunst und Handwerk „eine wunderbare Gelegenheit, unsere kulturelle Vielfalt zu feiern, Bildung zu fördern, Gemeinschaft zu stärken und ästhetische Räume zu gestalten.“

Rund 50 Kreative und zahlreiche Handwerksbetriebe sind diesmal dem Ruf des 71-Jährigen gefolgt. Die meisten ihrer Beiträge spielen mit der vielfältigen Symbolik des Spiegels, haben zuweilen aber auch praktischen Nutzen. So ermöglicht das Spiegelobjekt von Stararchitekt Boris Podrecca eine „Gesichtsverräumlichung“, also das Erkunden von Stellen, die nur schwer einsehbar sind, etwa die Unterseite des Kinns. Andere Beiträge halten dem Betrachter einen „Narrenspiegel“ (Gudrun Kampl), die eigene Vergänglichkeit (Ina Loitzl) oder den „Esel“ des eigenen Ich (Richard Klammer) vor Augen, lassen uns in den Lauf einer überdimensionalen Pistole blicken (Nina Herzog), in den Spiegel der Medien (Andrea Vilhena) oder auf einen facettenreichen Diamanten (Tanja Prušnik) . Für narzisstisch Veranlagte lassen Thomas Pucher und Cornelia König ihre Spiegel zärtlich sagen: „Ich liebe mich“ bzw. „I am too sexy“. Neben interaktiven Beiträgen wie dem „M I-Phone“ von Mark Mack findet man im kärnten.museum auch sozialkritische Töne und Statements gegen die Umweltzerstörung, etwa in Cornelia Mitterndorfers tausendfach vergrößertem Bienengehirn oder in Cyril Helnweins „Kriegsgewinner“, einem spiegelnden Mini-Panzer auf blutüberströmter Triumphsäule. Der reflektierenden Fantasie sind scheinbar keine Grenzen gesetzt. Dafür sorgen nicht zuletzt Schüler der HTL-Ferlach und bekannte Größen wie Matteo Thun, Peter Noever, Laurids Ortner, Elisabeth von Samsonov, Arnulf Komposch oder Manfred Bockelmann.

Wer von ihnen am 8. Februar mit dem „Kunst & Handwerk Grand Prix“ ausgezeichnet wird, entscheidet neben einer Jury auch das Publikum. „Den Teilnehmern bei der Abstimmung winkt ein Wellness-Gutschein im Wert von 1000 Euro oder eines von drei Kunstwerken“, verspricht Walter Hösel, der auch selbst mit einem Beitrag vertreten ist – einer Art Spiegelkabinett, in dem man sich „selbstverliebt“ (so der Titel) von allen Seiten beäugen kann.