Sie waren in letzter Zeit auf vielen Festivals eingeladen und haben unzählige Konzerte gespielt. Ihr Terminkalender scheint gut gefüllt zu sein?
CHRISTIAN BAKANIC: Ja! Glücklicherweise, weil ich ja extrem gerne auf der Bühne stehe, und nach der Flaute mit der Pandemie tut es auch wirklich sehr gut, wieder zu spielen. Obwohl es jetzt auch sehr stressig war. Ich bin ja Familienvater mit Zwillingen, und da ist es nicht leicht, immer unterwegs zu sein.
Sind Sie heuer schon wieder an die Konzertanzahl von vor der Pandemie gekommen?
BAKANIC: Nicht ganz, weil ja die ersten vier Monate komplett weggefallen sind. Aber ich habe es fast aufgeholt, weil seit Mai geht’s sozusagen volle Kanne. Die Buchungslage ist weiterhin gut, aber man schaut ein bisschen skeptisch in die Zukunft, man weiß ja nicht, wie es im Herbst wird. Das Schöne an der Pandemie war, das ich wieder mehr Zeit hatte, um Dinge auszuprobieren.
Ihre Bandbreite ermöglicht es Ihnen auch, thematisch in fast jedes Festival zu passen. Ist es also ein Vorteil, wenn man sich in keine Schublade drängen lässt?
BAKANIC: Na ja, man kann mich ja schubladisieren. Jetzt bei Arsonore bin ich als klassischer Musiker eingesetzt, das ist eher selten. Ich spiele dann eben Kammermusik. Ich bediene Schubladen, die zum Glück wieder andere Schubladen öffnen, die ich bedienen kann. Meine eigene Musik ist ja oft nicht einordenbar, weil ich experimentierfreudig bleiben will.
Womit wir bei Arsonore wären, wo Sie diesmal unter dem Motto Viva La Revolución eine führende Rolle haben. Was haben Sie am 11. September vor?
BAKANIC: Der Jahresregent Astor Piazzolla steht im Vordergrund, dann noch Kurt Weill, Bertolt Brecht und Paul Hindemith. Ich spiele eine Trio-Version von Piazzollas Tango Revolucionario, ein Stück aus seiner frühen Phase, das recht experimentell ist. Im zweiten Teil spiele ich mit einem Streichquartett seine Tango Sensation. Und dann habe ich noch drei Stücke für das große Ensemble arrangiert, darunter Surabaya Johnny von Kurt Weill und die Balada da lon Rocco von Piazzolla.
An Piazzolla kommt wohl kein Akkordeonist vorbei. Was bedeutet der Komponist und Bandoneon-Spieler für Sie?
BAKANIC: Ich komme ja aus der Volksmusik, der Steirischen Harmonika, bin mit 14 nach Graz, wo ich erst mit dem Akkordeon begonnen und dann nach ein, zwei Jahren das erste Stück von Piazzolla gespielt habe. Das hat mir Tür und Tor geöffnet, war der Einstieg in die offene Musikwelt, eine perfekte Verbindung zu Klassik und Jazz. Für mich ist er vor allem als Komponist oder Erfinder äußerst wichtig, gar nicht so sehr als Bandoneonist.
Sie spielen ja nicht das erste Mal bei Arsonore, wie kam die Verbindung mit dessen Leiter Markus Schirmer zustande?
BAKANIC: Ich bin über das Projekt Scurdia mit ihm zusammengekommen, wozu er mich einst eingeladen hatte. Da lebte ich noch in Graz. Seit damals sind wir auch sehr gut befreundet, und wenn ich bei ihm zu Hause bin, haben wir ganze Diskussionsnächte über Musik. Er denkt dabei an seine Arsonore-Arbeit, und ich bringe auch meine Ideen ein, die er dann teilweise übernimmt.
In letzter Zeit sind Sie mehr und mehr dem Ruf von Klassikfestivals gefolgt, von denen etliche gerade in einer Phase der Erweiterung bis hin zur Popmusik sind. Da muss einem Universalmusiker wie Ihnen ja wohl die Stunde schlagen?
BAKANIC: Absolut, und alle meine Kollegen, die in ähnlichen Genres tätig sind, beobachten das, und das kommt uns sehr gelegen. Die Leute wollen halt nicht den gleichen Schinken jedes Jahr neu aufgerollt, sondern auch Neues kennenlernen. Das klassische Publikum ist ja an und für sich sehr interessiert und offen. Es ist halt nur die Frage, wie man es aufmacht.
Otmar Klammer