Spektakulär wollte Rolando Villazón in seine erste Mozartwoche starten und lud deshalb die katalanische Theatergruppe La Fura dels Baus in die Salzburger Felsenreitschule ein, Mozarts Theatermusik "T.H.A.M.O.S" zu inszenieren. Am Ende konnte aber auch die größte Akrobatik nicht von der erzwungenen Zusammensetzung von Musik und Handlung ablenken.
Der Vergleich mit der "Zauberflöte" ist etwas irreführend, obgleich naheliegend. Mozart komponierte die Chöre und Zwischenspiele für ein Schauspiel mit dem Titel "Thamos", welches die Geschichte der Machterlangung des Ägypterkönigs Thamos erzählt. Auch wenn es mit freimaurerischem Leitgedanken dem großen Bruder "Zauberflöte" im Grunde recht nahe steht, so erfuhr das Stück schon zu Lebzeiten des Autors keinen großen Erfolg und verschwand schnell vom Programm, wobei es Mozarts Komposition auf diesem Wege gleich mit in die Versenkung nahm.
Dem Werk fehlt das musikalische Fleisch
"Thamos" ist heute nur noch sehr selten zu hören, denn für eine eigenständige szenische Aufführung gibt es schlichtweg zu wenig musikalisches Fleisch. Aus diesem Grunde wurde es um drei Arien aus der "Zauberflöte" und Auszüge aus dem "Zaide"-Fragment von Mozart ergänzt, und diese Aneinanderreihung ist hör- und sichtbar. In Mary Shelleys "Frankenstein" versucht der gleichnamige Doktor durch die Zusammensetzung verschiedener Teile den perfekten Menschen zu erschaffen, scheitert aber bei der Umsetzung. Auch der Salzburger "Thamos" wird zeitweise zur Kreatur.
Aus einem Guss sind weder die Handlung noch die Musik - der Vergleich mit der "Zauberflöte" wird zur Last. Zwar sind die Zwischenspiele ein guter Fingerzeig auf das, was Mozart als junger Mann schon an geniereichem Potenzial in seiner Musik verbaute, doch in direkter Gegenüberstellung mit der an Lebensweisheit ausgereiften Opernmusik wirkt "Thamos" tatsächlich noch schwach auf der Brust. Da kann auch Dirigentin Alondra de la Parra nicht mehr viel ausrichten, auch wenn sie ihren Mozart gut studiert hat und ihm viel Anmut und Herz mitgibt.
Vielleicht liegt es aber auch am geringen Wirkungsspielraum, den La Fura dels Baus den Zwischenspielen lassen. Sie verblassen zeitweise zur Begleitmusik, da die wirklich aufregenden Dinge auf der Bühne passieren. Da sind die Katalanen um Carlus Padrissa in ihrem Element. In schwindelerregenden Höhen fliegen Akrobaten in aufwändigen Kostümen durch die Felsenreitschule, aufwändige Videoproduktionen dystopischer Zukunftsstädte werden an die Fassade geworfen und auch Feuer und Wasser finden immer wieder ihren Einsatz in dieser Inszenierung.
Auch die Sänger sind vor den akrobatischen Einfällen Padrissas nicht gefeit. Unter, auf und hinter der großen Iris gibt Nutthaporn Thammathi durchwegs heldisch den Thamos und verzieht auch dann keine Miene, wenn sich ein geballter Schwall Wasser über ihm ergießt. Er denkt sowieso nur an seine Tharsis, und das kann man ihm durchaus nicht verübeln, denn Fatma Said singt sie federleicht und sanft, mit Spitzen wie gehaucht, die sich aber tief in die Knochen setzen. Und René Pape, der ist eigentlich Sarastro und nicht König Menes. Nicht etwa, weil er dessen Arien singt, sondern weil er mit jedem Ton die Würde, Größe und Gelassenheit des Fürsten aus der "Zauberflöte" aussendet.
Die Kreatur wird Viktor Frankenstein in Shelleys Roman bekanntlich zum Verhängnis. Auch der Salzburger "T.H.A.M.O.S." ist am Ende einfach zu viel gewollt. Die Handlung erliegt dem Spektakel und wirkt dadurch immer wieder an den Haaren herbeigezogen, die Verschränkung der Musikstücke inhomogen und am Ende alles zusammen ein wenig erschlagend. Dafür gibt es vom Publikum anerkennenden Applaus, für mehr dürfte ihm aber nach gut eineinhalb Stunden Eindrucksfeuerwerk auf sämtlichen Kanälen schlichtweg die Energie fehlen.
Wie im "Frankenstein" führt der gute Wille auch hier nicht zwangsläufig zum gewünschten Ergebnis, umbringen wird es bei der Mozartwoche natürlich trotzdem keinen. Villazon hat dafür noch genügend Asse im Ärmel und bei der Programmpräsentation zumindest für 2020 eine etwas frommere szenische Produktion versprochen, den "Messias".
Larissa Schütz