2017 ist ein Übergangsjahr für das Lehar Festival. Michael Lakner, der die vergangenen 14 Jahre das Festival geleitet hatte und zum Abschied mit dem Kulturehrenzeichen der Stadt Bad Ischl, der Kulturmedaille des Landes Oberösterreich und der Ehrenmitgliedschaft des Lehar Festivals geehrt wurde, hatte diese Saison noch selbst durchgeplant. Der Rest seines 2014 vorgestellten 5-Jahres-Plans ist dagegen Makulatur. An die Pressekonferenz von damals erinnerte gestern nur noch die Marzipanfigur auf der Zauner-Abschiedstorte, die den Intendanten in Unterhosen zeigte: Lakner hatte sich damals öffentlich quasi seines letzten Hemdes entledigt, um auf die prekäre finanzielle Situation des Festivals hinzuweisen.
Geld regiert nicht nur die Welt, sondern auch die Handlung der "Lustigen Witwe". Regisseur Leonard Prinsloo betont die emanzipatorische Note der Operette rund um die selbstbewusst auftretende, millionenschwere Witwe Hanna Glawari durch eine besonders tölpelhaft agierende Verehrerschar. Dabei verfügt er trotz Sparzwangs über eine erstaunlich große Menge an Chor- und Ballettmitgliedern, die unfallfrei rund um das große Loch des Orchestergrabens zu choreografieren, bereits keine geringe Leistung ist.
Auf der von Monika Biegler gestalteten engen Bühne, auf der Glawaris Anwesen im zweiten Akt sogar über einen angedeuteten Pool verfügt, wird auf zeitlose Unterhaltung gesetzt. So bleibt es dem Zuschauer überlassen, darüber nachzusinnen, welcher Operettenstaat heutzutage noch mit Glawaris 20 Millionen vor dem Staatsbankrott zu retten wäre. In Österreich gingen sich jedenfalls mehr als ein Fünftel der ersten Pflegeregress-Tranche oder 250 Eurofighter-Flugstunden nicht aus.
Ausgerechnet die zentrale Liebesgeschichte gerät ein wenig in Schieflage: Reinhard Alessandri - von Lakner als "vielleicht der beste Danilo, den es zur Zeit in unseren Breiten gibt", gerühmt - zeichnet seinen Grafen weniger als charmanten, blaublütigen Mann von Welt, dem aus dynastischen Gründen die standeswidrige Heirat untersagt wurde, denn als raue Vorstadtfigur, die man eher im Wurstelprater als im Maxim vermuten würde. Regina Riel ist bei ihrem Rollendebüt in der Titelpartie in dieser Konstellation die deutlich noblere Erscheinung.
Was darstellerisch lange Behauptung bleibt, wird glücklicherweise sängerisch tadellos eingelöst. Alessandri und Riel verfügen über das nötige stimmliche Potenzial, mit Lehars unsterblichen Melodien den Abend zum Erfolg zu führen - zumal sich das Franz-Lehar-Orchester unter Laszlo Gyüker nicht zu verstecken braucht und auch rundherum beachtliches musikalisches Niveau herrscht. Herausragend: Clemens Kerschbaumer als unglücklich in die Diplomatengattin Valencienne (Verena Barth-Jurca) verliebter Rosillon, der vom Publikum zu Recht umjubelt wurde.
Keine Neuerfindung des Genres Operette, aber ein solides sommerliches Lebenszeichen. Die neue Ära begann wie die alte. Auch die zweite Ischl-Premiere, Fred Raymonds "Saison in Salzburg" am 22. Juli, wurde ebenfalls noch von Lakner programmiert. Der neue Intendant Thomas Enzinger, der sich gestern dem Publikum mit einer pointierten Rede vorstellte, in der er u.a. die Rolling Stones, Platon, Nestroy und Albert Schweitzer als Zeugen für die ungebrochene Lebendigkeit der Operette anrief und für den ungehemmten Konsum der "Droge Kultur" warb, gibt erst 2018 seine Visitenkarte ab.
Enzinger wird mit Paul Abrahams Revueoperette "Die Blume von Hawaii" eröffnen und setzt zudem im 70. Todesjahr Franz Lehars auf "Das Land des Lächelns". Dazu gibt es unter dem Titel "Sissi in Concert" Livemusik aus Ernst Marischkas berühmten "Sissi"-Filmen zu einer Multimediashow und im Lehar Theater einen eigens geschriebenen Kabarettabend: "Reha mit Lehar". Ob auch das 1961 gegründete Lehar Festival vom neuen Intendanten eine Frischzellenkur verpasst bekommt, wird erst dann wirklich zu beurteilen sein.
(S E R V I C E - Lehar Festival Bad Ischl: Vorstellungen bis 3. September. Infos und Karten unter 06132 / 23839. )