Nicht weniger als 15 Stücke waren in der vierstündigen Gala angesetzt, darunter bis zu einstündige, wie etwa der Auszug aus der "Bayadere" als Herzstück des Abends, aber auch nur wenige Minuten lange, wie die Ausschnitte aus William Forsythes markigem "In the Middle, Somewhat Elevated" oder John Neumeiers tobendem "Sacre".
Eine Tour de force durch mehr als 150 Jahre Ballettgeschichte - von Nurejews Bearbeitungen klassischer Stoffe wie Petipas "Dornröschen" bis zu jüngsten Repertoire-Additionen wie Edwaard Liangs Vogelflug-Hommage "Murmuration". Preziosen waren dabei, wie Hans van Manens fantastisches "Solo" für drei rasante Tänzer, Liam Scarletts frech-erotisches "With A Chance of Rain" oder der bewegende Pas de Deux aus Roland Petits "La Prisonniere".
Dramaturgisch geizte man nicht mit Kontrasten an der Grenze zum Kulturschock. Wenn etwa die intime Transzendenz der Musik Bachs in Neumeiers delikatem "Magnificat" oder van Manens "Solo" unmittelbar auf die polternde Zuckerguss-Melodik in Ausschnitten aus klassischen Balletten der B-Kategorie wie Balanchines "Stars and Stripes" oder Juri Grigorowitschs "Spartacus" trifft, sind Augen und Ohren kurzzeitig zum Spagat gezwungen.
Ein Spagat, den das Orchester routiniert und versatil bewältigte, mit dem großen Nachteil, dass dabei jegliche Ambition auf Exzellenz der Klangqualität auf der Strecke blieb. Verwaschen, mitunter unsauber und arm an dramatischen Höhepunkten präsentierte sich der Graben unter der Leitung von Kevin Rhodes - wobei die zahlreichen Leistungen an der Solovioline von Konzertmeister Jose Maria Blumenschein positiv zu erwähnen sind.
Es wurden dann leider nur 14 Stücke - denn schon bei seinem ersten Auftritt des Abends, in "Stars and Stripes", zog sich der Erste Solist Davide Dato eine unübersehbar schmerzliche Verletzung am Bein zu - das Stück musste abgebrochen und sein späterer Auftritt in der Kostprobe aus "Peer Gynt" leider gestrichen werden. Das abendfüllende zeitgenössische Werk von Edward Clug wird in der kommenden Saison zur Premiere gebracht.
Der vordringliche Zweck der Gala - die Compagnie und ihre Protagonisten üppig auf dem Laufsteg auszuleuchten - hat sich jedenfalls auch heuer wieder erfüllt. Begeistern konnten etwa Rebecca Horner, Maria Yakovleva, Alice Firenze, Nina Polakova und Nina Tonoli bei den Damen sowie Roman Lazik, Masayu Kimoto oder Jakob Feyferlik bei den Herren. Als Gastsolisten waren Vladimir Shklyarov, seine Frau Maria Shirinkina sowie Elena Vostrotina und Ludmila Pagliero engagiert. Trotz toller Performances untermauerten sie aber vor allem eine erfreuliche Entwicklung: Für Höhepunkte hat diese Compagnie keine Gäste mehr nötig - sie sorgt selbst dafür.