Es war wohl eine Liebe auf das erste Hören, die Wenders zu "Les pecheurs de perles" verführte. In den siebziger Jahren habe er von dieser Dreiecksgeschichte gehört, die auf einer Südseeinsel spielt - eine Arie aus einer Jukebox im Café Tosca in San Francisco. Die Melodie setzte sich als Ohrwurm fest, "wochenlang". Später kaufte er sich die Oper auf Langspielplatte.
"Ich finde es sensationell, dass Georges Bizet sie mit 25 Jahren geschrieben hat. Unvorstellbar. Wie viele Ideen er mit sehr jugendlichem Elan da hineingebuttert hat!", sagt Wenders im Gespräch. 1863, zwölf Jahre vor seinem späteren Welterfolg "Carmen", gelang Bizet (1838-1875) mit den "Perlenfischern" der Durchbruch als Opernkomponist.
Das Werk hat alle Zutaten, die Mitte des 19. Jahrhunderts zum Spektakel gehörten: Eine vertrackte Liebesgeschichte in einem fernen Land, große Chornummern und Arien als Schmachtfetzen. "Damals hatte man ein großes Vergnügen an exotischen Plätzen, ohne viel davon zu wissen."
Die Geschichte habe aber einen universellen Kern: Zwei Männer und eine Frau, das könne man auch immer wieder im Kino sehen. Er wolle die Geschichte von Ballast befreien, die Musik stehe im Mittelpunkt. Die Russin Olga Peretyatko singt die Partie der männerbetörenden Leila, um die die Freunde Nazir (Francesco Demuro) und Zurga (Gyula Orendt) auf der Insel Ceylon konkurrieren. Alle Aufführungen in dieser Spielzeit sind bereits ausverkauft.
Wenders stand schon einmal kurz vor einem Operndebüt. Zum Wagner-Jubiläum 2013 sollte er in Bayreuth Wagners "Ring des Nibelungen" übernehmen. Die Gespräche scheiterten an künstlerischen Differenzen. Dann rief Daniel Barenboim an.
Der Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper fragte bei Wenders an, ob er sich eine Opernregie vorstellen könne. Er konnte - und wünschte sich "Die Perlenfischer", die auch Barenboim noch nie dirigiert hatte. "Wenn ich etwas zum ersten Mal mache, dann soll es etwas sein, was man nicht dauernd im Repertoire sieht." Barenboim habe sich die Partitur angesehen. "Ja, das ist schön, das habe ich noch nie gemacht", habe der Maestro gesagt - und zugestimmt.
Respekt habe er schon, sagt Wenders. "Im Film habe ich das Gefühl, alles mehr unter Kontrolle zu haben. In der Oper ist der Dirigent ausschlaggebend. Wir machen gerade die Orchesterproben, und da stelle ich fest, dass die Regie eher der Musik zuarbeiten soll."
Was kann aber der Opernregisseur Wenders vom Filmregisseur Wenders lernen? "Das Licht. Für mich ist das Licht das Wichtigste nach der Musik. Das Licht erzählt auf der Bühne richtig viel. Man hat ja nur diesen einen Raum, und mit dem Licht kann man neue Räume und Stimmungen schaffen. Unsere Oper spielt an einem Ort, der von jedermanns Fantasie ja sehr vereinnahmt ist: auf einer Insel."
Immer wieder haben sich Filmemacher an der Oper versucht. Ob Werner Herzog, Franco Zeffirelli, Robert Altman oder Woody Allen - die Opernhäuser versprechen sich von den Filmemachern eine neue Sicht auf die immer wiederkehrenden Stücke im Repertoire. Schon 1940 inszenierte Sergej Eisenstein Wagners "Walküre" am Bolshoi Theater. Auch Luchino Visconti, Andrei Tarkowsky und Roman Polanski unternahmen Ausflüge ins Musiktheater.
Wenders' Lebenswerk ist eng mit Musik verbunden. Die Soundtracks etwa zu "Paris, Texas" mit Ry Cooders Gitarre oder die kubanische Musik von "Buena Vista Social Club" wurden Hits. Wenders arbeitete mit Musikern wie Lou Reed oder U2 zusammen. In seinem Film "3 American LPs", den er 1969 mit dem Schriftsteller Peter Handke drehte, spielt Musik eine zentrale Rolle. Van Morrison, Harvey Mandel und Creedence Clearwater Revival steuerten die Musik bei.
Als junger Mann habe er Saxofonist werden wollen. Mit 22 Jahren verkaufte er das Instrument und kaufte sich dafür eine 16mm-Kamera. "Das war ein Scheideweg in meinem Leben, den ich aber nicht bereut habe." Dabei waren Wenders' erste Filme stumm, "nach und nach ist dann Ton dazugekommen". Dass Film auch mit Musik Architektur und Literatur zu tun hat, habe er erst später gelernt. Aber Opern zu machen, sagt Wenders, sei ein anderes Metier. Er habe am Anfang schon "Bammel" bekommen bei der Vorstellung, nun in einer eine Oper Regie zu führen. "Aber kaum standen die Sänger vor mir, hat sich das gegeben."