Sie machen recht wenig Oper in letzter Zeit. Jetzt aber debütieren Sie an der Wiener Staatsoper. Was bedeutet Ihnen dieses Haus?

BERNARDA FINK: Früher trat ich öfter in Opernhäusern auf, etwa im Théâtre des Champs-Élysées in Paris beim jetzigen Staatsopernchef Dominique Meyer. Ich habe auch viele Opern von Monteverdi, Händel und Mozart aufgenommen. Es ist ein Geschenk, dass ich jetzt, da ich nicht mehr an Opernauftritte gedacht habe, auf dieser Bühne stehen darf. Es freut mich sehr, hier zu singen, und die Kooperation mit den Kollegen und dem Team um Marco Arturo Marelli ist großartig.

Ihre Rolle als Geneviève, der Mutter der Prinzen Pelléas und Golaud, die sich wegen der schönen Mélisande überwerfen, ist nicht sehr groß.

BERNARDA FINK: „Es gibt keine kleinen Rollen“, hat mein Lehrer in Buenos Aires immer gesagt. Damit ein Werk gut fließt und zusammenhält, müssen alle Beteiligten intensive und gute Interpreten sein. Ich singe nur in zwei Szenen im ersten Akt, bin aber auch danach viel auf der Bühne. Die Rolle der Mutter ist in dieser Produktion wichtig und mir sehr nahe, auch wenn ich eine graue Perücke tragen muss.

Was sagen Sie zu Marellis Regiekonzept? Er versucht ja, dieses symbolistische Libretto eher realistisch in Szene zu setzen.

BERNARDA FINK: Marelli bleibt dem Text sehr treu und liebt diese Musik leidenschaftlich, das hat mich vom ersten Probentag an begeistert. Das ist ja eine reale und tragische Dreiecksgeschichte, aber gleichzeitig viel mehr als das. Ich glaube, dass die Inszenierung doch viel Raum für die mysteriöse Botschaft über das Geheimnis des menschlichen Lebens lässt.


Sie haben auch viel Barockmusik gesungen und mit vielen großen Ensembles der Alte-Musik-Szene gearbeitet. Ist Ihnen diese Musik lieber als etwa Debussy?

BERNARDA FINK: Es gab die Barockjahre, jetzt ist Zeit für Debussy, Mahler, Liederabende, Kirchenmusik. Die schönste Musik ist immer die, die ich gerade singe.

Sie geben lieber Konzerte, als in Opern aufzutreten. Warum?

BERNARDA FINK: Das hat auch viel mit den langen Probezeiten zu tun gehabt, besonders früher, als meine Kinder noch klein waren. Aber generell kann ich besser ohne Oper überleben als ohne Bach, Oratorien, Liederabende, symphonische Musik. In einem Liederabend entfallen das Kostüm und die Regie, aber nicht der Ausdruck und das „Drama“.

Sie leben mit Ihrer Familie seit einigen Jahren im Rosental, wo auch viel gesungen wird, eine kärntnerische Spezialität.

BERNARDA FINK: Ohne Zweifel! Wenn ich in Kärnten bin, besuche ich am liebsten Veranstaltungen der vielen slowenischen Kulturvereine. Es ist herzerwärmend, mit welcher Liebe zur Muttersprache und mit welch hoher Qualität die Gruppen arbeiten.

Sie haben als Kind slowenischer Eltern zwei Muttersprachen und beherrschen dazu noch einige weitere Sprachen. Wie wichtig ist Ihnen das?

BERNARDA FINK: Jede Sprache ist etwas ganz Besonderes. Sprachen und Dialekte bereichern sich gegenseitig, so wie die Menschen.