Mit der Beteiligung an mehr als 2.000 Alben gilt Bassist Ron Carter als Jazzer mit den meisten Einspielungen. Dabei sind Rekorde gar nicht sein Ding. Bei Carter ist eher Understatement angesagt. Beim Nachdenken über Musik muss der Bassist nicht lange um Worte ringen. Auf die Frage, was ihn an südamerikanischen Klängen fasziniere, antwortete er einmal wortkarg: "Keine Ahnung. Es gefällt mir einfach." Ein solch simple Erklärung mag auch der Grund gewesen sein, warum der in Ferndale (US-Bundesstaat Michigan) geborene Carter im Alter von zehn Jahren zum Instrument griff und es gewissermaßen nie wieder losließ.
Anfangs wollte er klassischer Cellist werden, doch dann wurde der Kontrabass zur Berufung. Die Liebe zum Jazz führte ihn nach New York, wo er studierte und in ersten Bands musizierte - bereits damals mit namhaften Kollegen wie Thelonious Monk und Cannonball Adderley.
Die Formationen, in denen Carter spielte, sind wie ein Who is Who? der Jazz-Geschichte. "Nach einer ersten Zeit in der Band von Gil Evans (1960) trat Carter schon 1963 ins internationale Rampenlicht", sagt der Dresdner Jazz-Kritiker Mathias Bäumel: "Miles Davis holte den damals 26-Jährigen mit Herbie Hancock, Wayne Shorter und Tony Williams in sein legendäres zweites Quintett." 1968 trennten sich die Wege wieder und Carter begann selbst zu experimentieren. Doch immer wieder forderten Größen wie Roberta Flack, Wayne Shorter, George Benson, Lionel Hampton oder die Marsalis-Brüder den "perfekten Meister von Timing, Rhythmus und Harmonieführung" - so Bäumel - an.
"Anfang der 1970-er Jahre wurde Ron Carter einer der wichtigsten Bassisten des damaligen Schallplatten-Labels CTI Records von Creed Taylor. Die Arbeit dieses Labels war vornehmlich darauf ausgerichtet, einen Teil des Popmusikmarktes für den Jazz zu gewinnen", erzählt der Jazz-Fotograf Matthias Creutziger, der Carter mehrmals auf Festivals erlebte und porträtierte.
Carter habe nun eingängige und dennoch künstlerisch hochwertige Alben an der Seite von Musikern wie Milt Jackson, Jim Hall, Paul Desmond und Grover Washington eingespielt. Auch bei der Aufnahme von Eumir Deodatos Platte "Prelude" mit einer jazzigen Version von "Also sprach Zarathustra" war er 1972 dabei.
1976 kam es beim Newport Jazz Festival zur Gründung der Supergruppe V.S.O.P. - quasi eine Neuauflage von Davis' zweitem Quintett, nun aber mit dem Trompeter Freddie Hubbard. In jenen Jahren reifte in Carter auch die Liebe zu spanischen und südamerikanischen Rhythmen: Er nahm einige Platten mit Bossa-Nova-Legende Antonio Carlos Jobim auf. Unter seinem eigenen Namen erschienen etwa "Spanish Blue"(1974), "Anything Goes" (1975) und "Entre Amigos" (2003). Mit der Formation Ron Carter Bossa Jazz war er 2009 auch in Deutschland auf Tour. Wer ihn damals in der Semperoper Dresden sah, erlebte einen Musiker in inniger Zwiesprache mit seinem Instrument und Kollegen.
Carter gibt sein Wissen seit langem in Büchern und Meisterklassen weiter. Für sein Wirken wurde er im In- und Ausland mit Preisen geehrt. Carter war Künstlerischer Direktor des Thelonious Monk Institute of Jazz Studies in Boston und ist noch immer Professor am City College in New York. Jazz-Experte Marcus A. Woelfle nennt ihn eine "große Legende". Trotz Vielseitigkeit besitze Carter ein hohes Maß an Individualität. "Sein Sound ist aus dem von Hunderten von Bassisten sofort herauszuhören." Er vereine den begnadeten Begleiter und Solisten in sich.