Hände an der Kleiderpuppe, Fingerspitzen in den Perücken, Knöchelklopfen am Bühnenbild ... Oper zum Begreifen. Diese Premiere von Gioachino Rossinis „Barbier von Sevilla“ im Vorjahr im Grazer Opernhaus war in mehrfacher Hinsicht berührend: Erstmals nämlich wurde in Österreich ein Musiktheater für Blinde und Sehbehinderte mit akustischen Simultanerklärungen realisiert, und diese waren schon zuvor beim Haptik-Parcours dazu eingeladen worden, Kostüme und Requisiten zu ertasten.
Am vergangenen Sonntag (19. März) ging die wunderbare Idee, konzipiert in Kooperation mit dem Grazer Odilien-Institut, in die zweite Runde. Diesmal wurde das Bühnengeschehen zu Charles Gounods „Roméo et Juliette“ mittels Audiodeskription vermittelt, zwei Sprecher sprachen Zusatzkommentare in den Gesangspausen live ein, und vor der Vorstellung ermöglichte auch der spezielle Parcours hinter den Kulissen den Blinden und Sehbehinderten wieder eine ganz außergewöhnliche Theatererfahrung.
Demnächst lockt das Opernhaus noch mit einer weiteren Horizonterweiterung: Musik ist „grenzenlos verschieden“, will man beweisen, indem sich das Philharmonische Orchester gemeinsam mit internationalen in Graz lebenden Musikern unter der Leitung von Dirk Kaftan und Sandy Lopičić auf eine Weltreise begibt. Einen Stopp gibt es etwa in Indien, mit Timo Kaufmann alias denovaire: Der 38-jährige Deutsche, der bei Gerd Kühr und Georg Friedrich Haas an der Kunstuni Graz studierte, flicht magische Klänge des Subkontinents ein. Weitere Haltestellen: Ruanda, Uruguay, Türkei, Bosnien und Kroatien.
„Musik wirkt stets über die Grenzen hinweg verbindend, ohne dabei zu nivellieren, sondern in voller Ausprägung regionaler und nationaler Unterschiede“, heißt es zu dem Projekt. Also: Schranken und Ohren auf!
Michael Tschida