Sidonie-Gabrielle Colette hat sich ein Biopic verdient. Nicht zufällig wurde die französische Autorin mit einer Reihe autobiografischer Romane berühmt, die die Pariser vor 118 Jahren schockierten und faszinierten. Dass zuerst nicht sie selbst, sondern ihr Mann den Erfolg für sich verbuchte, davon erzählt nun der Film „Colette“.
Die junge Frau, die sich bald nur noch bei ihrem Vornamen nennt, heiratet den Lebemann Henry Gauthier-Villars. Er betreibt unter dem Namen Willy eine Art Schreibfabrik samt angestellten Ghostwritern und animiert seine Frau, dabei mitzumachen. Sie liefert ihm mit „Claudine à l’école” eine lesbische Liebesgeschichte im Mädcheninternat.
Er vermarktet das anzüglich-sinnliche Buch unter seinem Namen bis hin zum Claudine-Merchandising. In den Folgeromanen werden für Colette auch die Eskapaden des berühmt-berüchtigten Society-Paares Colette-Willy zur Inspiration, etwa die Affäre der beiden mit derselben Frau.
All die spürbare Dekadenz
Trotz aller Freiheiten emanzipiert sich Colette und fordert die Autorinnenschaft ihrer Romane. Ihre Beziehung mit der Marquise de Belbeuf (Denise Gough) führt bei einer Varieté-Aufführung zum Skandal. Colettes späte Ehren bis hin zu Nobelpreis-Nominierung und Staatsbegräbnis erzählt der Film nicht mehr.
Keira Knightley, bestens versiert in Historienfilmen wie „Stolz und Vorurteil“, interpretiert Colette ebenso verspielt wie selbstbewusst. Dominic West („The Wire“) balanciert zwischen charismatischem Libertin und Unsympathler. Anders als „Mary Shelley“, der aktuelle Film über die Frankenstein-Autorin, versucht „Colette“ der Zeit seiner Protagonistin auch filmisch gerecht zu werden. Regisseur Wash Westmoreland macht das Paris der Belle Époque mit all seiner Dekadenz spürbar und inszeniert über weite Strecken witzig, spritzig und flott. Ein würdig wildes Denkmal.
Marian Wilhelm