Der zwölfjährige Aljoscha (Matvey Novikov) ist nach dem Schulschluss auf seinem Heimweg. Abseits der Straße liegt ein herbstlicher Wald, im Hintergrund ist eine neu erbaute Wohnanlage wahrzunehmen. Aljoscha findet ein Stück Absperrband, spielt damit herum und schmeißt es zu einem Baum, in dessen Ästen es sich verfängt. Absperrbänder wie dieses werden in „Loveless“ später noch eine Rolle spielen.

Irgendwo in der Nähe von Moskau befindet sich die Neubausiedlung mit intakter Infrastruktur, in der Aljoscha mit seinen Eltern lebt. Noch lebt. Denn die Eltern Zhenya (Maryana Spivak) und Boris (Aleksei Rozin) haben sich auseinandergelebt und ziehen gerade ihre Scheidung durch. Für die Wohnung gibt’s ernsthafte Kaufinteressenten, einer der wenigen offenen Punkte ist der gemeinsame Nachwuchs. Wohin mit Aljoscha? Zhenya sagt, sie werde ihn in ein Heim geben, da soll er sich an autoritäre Strukturen gewöhnen, weil danach folgt ohnehin der nahtlose Übergang zum Militär. Aljoscha hört das Gezänk seiner Eltern um seine Zukunft mit. Die letzte Einstellung, in der er zu sehen ist: Er verlässt nach dem Frühstück die Wohnung und stürmt die Stiege hinunter.

Regisseur Andrei Swiaginzew wirft einen illusionslosen Blick auf die gegenwärtige russische Gesellschaft – und gewann damit im Vorjahr in Cannes den Preis der Jury. Die meisten Protagonisten rühren einen ungenießbaren Brei aus Hass und vorsätzlicher Kränkung an. Und (fast) alle bekommen ihr Fett ab. Außer jene Gruppe von Freiwilligen, die den abgängigen Aljoscha sucht.