Leichte Nebelschwaden hängen in der Südstaatenlandschaft von Virginia. Wir schreiben das Jahr 1864. Kameramann Philippe Le Sourd baut außen ein Postkartenidyll zur Zeit des heftig geführten Sezessionskriegs auf. Eine Pilze klaubende Schülerin aus dem nahen Mädcheninternat entdeckt einen schwer verwundeten Nordstaatensoldaten John McBurney (Colin Farrell), den sie mit sich schleppt. Dieser „unwillkommene Besucher“ wird von der Internatsleiterin Martha Farnsworth (Nicole Kidman) und ihrer Helferin Edwina (Kirsten Dunst) widerwillig aufgenommen.
Soll er unverzüglich an die Konföderierten ausgeliefert werden? Die interne Entscheidung fällt in Richtung Nächstenfürsorge: Solange dieser Feind körperlich bedient ist, darf er bleiben. McBurney beobachtet genau. Er macht sich im Garten nützlich und entdeckt seine Fähigkeiten als Hahn im Korb. Alicia (Elle Fanning), die Älteste unter den Schülerinnen, entwickelt körperliche Begehrlichkeiten. So auch die verklemmte Edwina, bis schließlich die aufgeheizte Situation voll von Sinnlichkeit eskaliert.
Regisseurin Sofia Coppola erhielt für „Die Verführten“ den Regiepreis bei den heurigen Filmfestspielen von Cannes. Sie stellt in Abrede, dass sie ein Remake von Don Siegels „Betrogen“ gemacht hätte. Vielmehr griff sie auf Thomas Cullinans 1966 erschienenem Roman „A Painted Devil“ zurück. Während bei Siegel (Clint Eastwood spielte seinerzeit den Nordstaatenoffizier) der Vietnam-Krieg und die damit verbundene gesellschaftliche Auseinandersetzung mitklang, überwiegt hier das ästhetische Moment eines gewiss gut gespielten Ausstattungsfilms. Die Aufladung der weiblichen Innenwelten in diesem Mädcheninternat vermittelt keine über sich hinausweisende Relevanz.
Reinhold Reiterer