WOLF AND DOG
Bewertung: ****

Ein Inselparadies kann auch ein Gefängnis sein. Ana lebt mit ihrer Familie auf São Miguel auf den Azoren und versorgt die Kreuzfahrtschiffe mit frischem Obst. Die einzige Freiheit zwischen Prozessionen und viel Homophobie auf den katholisch geprägten Azoren bietet ihr und ihrem besten Freund Luis eine queere Community. "Wolf and Dog" inszeniert die Sinnlichkeit mit betörenden Bildern und Symbolen. Wer ist hier der Wolf und wer der Hund? Und was wartet hinter dem Horizont des Atlantiks? Regisseurin Cláudia Varejão erzählt in ihrem ausführlichen Debüt eine Coming-of-Age und Coming-out-Geschichte. Die großartig-stille Hauptdarstellerin Ana Cabral und die performative queere Stimmung fasziniert über die wunderschöne Landschaft hinaus. (maw)

DIVERTIMENTO – EIN ORCHESTER FÜR ALLE
Bewertung: ****

Zahia Ziouani (Oulaya Amamra) möchte Dirigentin werden. Doch im Frankreich der 1990er, als Dirigentinnen weltweit nur einen winzigen Prozentsatz im Vergleich zu den Männern ausmachen und auch niemand glaubt, dass die Tochter eines algerischen Einwandererpaares es zu viel bringen kann, scheint dieser Wunsch unmöglich. Erst ihre Zwillingsschwester und Cellistin Fettouma (Lina El Arabi) bringt Zahia auf die Idee, ein Orchester zu gründen. Basierend auf dem wahren Leben der Dirigentin Zahia Ziouani begeistert Marie-Castille Mention-Schaars Film mit toller Musik, sympathischem Cast und angenehmerweise der Vermeidung grober Klischees, auch wenn die eine oder andere Szene doch zu dick aufträgt. (sg)

ASTEROID CITY
Bewertung: ****

Es ist ein bisschen so wie die picksüßen, pastellfarbenen Zuckerlketten vom Kirtag. Jede Instagram-taugliche Szene in diesem mit allen visuellen Raffinessen aufgefädelten elften Fest von Wes Anderson gilt es, eines zu knacken. Eines gleich vorweg: Die Gelüste danach sind größer als das tatsächliche Geschmackserlebnis. Wir schreiben das Jahr 1955. Das titelgebende Kaff "Asteroid City" mitten in der Wüste ist das Mekka von euphorischem Sternderl-Schau-Publikum, seit vor einer Ewigkeit ein Meteorit aufgeschlagen hat. Hochbegabte Jugendliche und ihre Eltern sind angereist, um ihre Erfindungen vorzustellen.
Atompilz-Wolken steigen auf, schließlich ist man in einer Testregion stationiert. Zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges wird der Zustand der Welt und der Wettlauf ins All vor dem Hintergrund des Kalten Krieges debattiert. Stilecht, wohlgemerkt. Denn ein Cocktail-Automat spuckt einen perfekt geschüttelten Martini aus; inklusive Olive. Als außerirdische Mächte sich dazu gesellen, ist es mit der verkopften Ruhe vorbei. Alle Anwesenden sitzen in der Kraterstadt fest. Und das retrofuturistische 1950er-Wimmelbild von Wes Anderson nimmt Fahrt auf. (js) Eine ausführliche Kritik lesen Sie hier.

THE FLASH
Bewertung: **

Neurotisch, blitzgescheit und schneller als der Wind: Comicikone "The Flash" und sein Alter Ego Barry Allen sausen erstmals als Hauptattraktion über die Leinwand – und bringen das Raum-Zeit-Kontinuum ordentlich durcheinander. Dabei stand das Schicksal des Films vorübergehend auf der Kippe. Als erste nichtbinäre Person im DC-Universum sollte Ezra Miller dem roten Flitzer zu neuem Leben verhelfen, öffentliche Fehltritte generierten vorab jedoch ungünstige Schlagzeilen. Verspätet erreicht der sündteure Blockbuster doch noch das Kinopublikum und springt unverblümt auf den zeitgeistigen Multiversen-Hype auf. Ganz so rasant wie sein Titelheld, bewegt sich das Erzähltempo des Superhelden-Epos aber nicht. Nach einem vergnüglichen Einstieg verliert sich Regisseur Andy Muschietti in einem inkohärenten Blitzlichtgewitter, das rasch ermüdet. Mit nostalgischen Gastauftritten wird bemüht versucht, vom hanebüchenen Plot und schwachen Computereffekten abzulenken. Bedingt erfolgreich. (pog)

BED REST
Bewertung: ***

Das war Liebe auf den ersten Blick. Die hochschwangere Julie (Melissa Barrera) und Ehemann Daniel (Guy Burnet) ziehen in ein altes, aber elegantes Haus am See, in dem schon lange keiner mehr gewohnt zu haben scheint. Bald darauf beginnt Julie jedoch Visionen von einem kleinen Jungen zu haben, der sie vor einer unbekannten Frau warnt. Nach einem Sturz auf der Treppe ist sie zudem den Rest ihrer Schwangerschaft an das Bett gebunden. Julie wird bald klar, etwas trachtet nach ihrer ungeborenen Tochter. Doch niemand will ihr glauben. Wer an die Regeln des Genres glaubt, wird an diesem Werk seinen Gefallen finden. Ansonsten offenbart sich ein eher blasses Abziehbild wesentlich besserer Produktionen.

GREATEST DAYS
Bewertung: **

Dass Jukebox-Musicals auch nach über zehn Jahren noch nicht aus der Mode sind, zeigt diese Verfilmung von der Bühnenshow "The Band". Arrangiert entlang der größten Hits der britischen Boyband Take That, handelt die Geschichte von vier Freundinnen, die Tickets für die Comeback-Tournee ihrer Lieblingsband aus den 1990ern gewinnen. Gemeinsam reist das Damenquartett, das einst ein traumatisches Ereignis in ihrer Jugend auseinandergerissen hat, nach Athen. Die Frage, ob sie wieder zueinanderfinden, stellt sich in ihrer Vorhersehbarkeit natürlich nicht, und auch sonst bleibt offen, für wen genau dieser klebrig-süße Kitsch wirklich gedacht ist. Da ändert auch die sympathische Hauptdarstellerin Aisling Bea nichts dran. (sg)