Schon der Titel trügt. In „A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe“ wird der Plot weder durchbuchstabiert noch in ein Episodenkorsett gezwängt. Auch, wenn die unvergleichliche und hier bedeutungsschwangere Stimme von Sophie Rois aus dem Off zunächst anderes verspricht.
Es bleibt bis zum Abspann beim A. Das A sei der Klang, den man nicht aufhalten könne. „Alles beginnt mit einem A. A sagt der Mensch, wenn er versteht. Und A, wenn ihn die Lust überwältigt.“
Sorgte die deutsche Regisseurin Nicolette Krebitz 2016 beim Sundance Film Festival mit „Wild“ und der Obsession einer Frau für einen Wolf für Furore, erzählt sie in ihrem bei der Berlinale uraufgeführten Film eine hinreißende Lovestory wider alle Klischees und Konventionen.
Anna (Sophie Rois) hat ihre besten und ruhmreichen Jahre als Schauspielerin längst hinter sich. Rollen für Frauen um die 60 sind rar. Also spricht sie Hörspiele ein. Der gleichaltrige Kollege brät sie in der Sprecherkabine an. Auch er hat schließlich einen Ruf zu verteidigen. Sie wirft exaltiert hin. Er verteidigt sich, dass er sicher nicht „auf Omas steht“. Kein leichter Tag also für Anna. Am Abend klaut ihr ausgerechnet ein junger Mann vor der legendären Paris Bar in Berlin ihre Designerhandtasche.
Ein Zwischenfall, der zum Glücksfall in ihrem Leben mutiert. Das ist bald klar, wenn sie ihrem Nachbarn (Udo Kier) davon erzählt; inklusive Beschreibung des Geruchs seiner Lederjacke. Sie soll ausgerechnet diesem Noch-Nicht-Erwachsenen Sprechunterricht geben, ihn fit für ein Theaterstück in der Schule machen.
Also besucht Adrian (Milan Herms) sie in ihrer Altbauwohnung. Sie lehrt ihm die Aussprache der Vokale, kocht ihm Suppe. Sie umkreisen, umtänzeln und begehren sich in aller Unsicherheit, Undenkbarkeit und Zärtlichkeit. Alles scheint in diesen Stunden möglich zu sein, nichts wird erklärt. Wie im Nouvelle-Vague-Kino reisen sie verknallt und spontan an die Côte d’Azur. Sie rauchen, ergaunern sich ihr Taschengeld, gehen nackt schwimmen und dann passiert es: Sie schlafen miteinander.
Seltsam schönes Duo
Eine distinguierte Frau nimmt sich einen Liebhaber aus sozial schwachen Kreisen, der ihr Enkel sein könnte – ein selten verfilmtes Phänomen.
Regie bei dieser flirrend-surrealen Lovestory führt der Zufall und das wird Szene für Szene humorvoll ausgebadet, dass es eine Freude ist. Bühnenstar Sophie Rois ist eine Wucht und führt ihren früheren Volksbühne-Kollegen galant durch den Film. Für alle, die auf Liebesfilme stehen, aber Kitsch nicht unbedingt brauchen.