Das ist unser Moment“, übersetzt Troy Kotsurs Gebärdendolmetscher bei der Oscar-Gala, und man hört, wie ihn dabei ein Schluchzer drückt. Aber nicht nur der Mann, der dem gehörlosen Schauspieler seine Stimme leiht, wirkt in diesem Augenblick von Emotionen überwältigt. Als Kotsur für die beste Nebenrolle in Siân Heders Drama „CODA“ als erster männlicher gehörloser Darsteller einen Oscar gewinnt, ist es im Dolby Theatre von Los Angeles tatsächlich beinahe still. Erst, als Präsentatorin Yuh-jung Youn seinen Namen in Zeichensprache buchstabiert. Dann, als die Gäste der Gala, statt wie üblich zu klatschen, die erhobenen Hände schwenken – so spenden Menschen, die nicht hören können, einander Applaus.
Eine verdiente Auszeichnung im Zeichen der Inklusion. Die verdanke er, so Kotsur in seiner Rede, seiner Regisseurin Heder: Sie habe mit ihrem Film eine Brücke zwischen Hörenden und Gehörlosen geschlagen. Er würdigte aber auch „die wunderbaren Gehörlosentheater, die mich aufgenommen und mir die Gelegenheit gegeben haben, mein schauspielerisches Können auszubilden“. Schon in der Highschool seiner Heimatstadt Mesa in Arizona stand der gehörlos geborene Bub auf der Bühne, seit den frühen Neunzigerjahren spielte Kotsur an Gehörlosen-Bühnen zwischen Los Angeles und New York: den Stanley in „Endstation Sehnsucht“, den Lenny in „Von Mäusen und Menschen“, Cyrano, Hamlet. Daneben wirkte der nun 53-jährige Familienvater in TV- und Kinofilmen mit.
In „CODA“ spielt er einen eigensinnigen Berufsfischer mit bodenständigem Humor und großem Herzen – und den Ehemann von Marlee Matlin. Die sei, verriet er jüngst der L.A.Times, die wichtigste Inspiration seine Karriere gewesen – die erste gehörlose Schauspielerin, die je einen Oscar gewann (1987 für „Gottes vergessene Kinder“). Sie habe ihm gezeigt, wozu Künstlerinnen und Künstler mit Behinderung imstande sind: „Die Möglichkeiten sind rar, aber sie hat nie aufgegeben. Also habe ich es ihr nachgemacht. Und heute bin ich hier.“ 35 Jahre nach ihr mit seinem eigenen Oscar.
Ute Baumhackl