Auf die erstaunte Frage, warum Terrence Malick denn eigentlich nicht anwesend sei, folgte in der Cannes-Pressekonferenz kurzes Gelächter. Der US-Filmemacher ist für die Öffentlichkeit schließlich immer ein Unsichtbarer. Erwartungsgemäß blieb er auf den Filmfestspielen nicht nur der umjubelten Weltpremiere seines lange erwarteten Werks „A Hidden Life“ fern – seinem ersten Film im Wettbewerb, seit er 2011 für „The Tree of Life“ die Goldene Palme gewann. Auch in der Pressekonferenz schickte er sein Hauptdarstellerpaar ins Rampenlicht: den deutschen Schauspieler August Diehl und die Österreicherin Valerie Pachner. Sie gehören zu dem Ensemble, das zu großen Teilen aus deutschsprachigen Darstellern besteht, obwohl doch überwiegend auf Englisch gedreht wurde: Tobias Moretti, Alexander Fehling und Franz Rogowski sind dabei – und Bruno Ganz in einer seiner letzten kleinen Rollen.

Die Witwe des von den Nazis hingerichteten und später selig gesprochenen NS-Wehrdienstverweigerers Franz Jägerstätter, Franziska, starb 2013
Die Witwe des von den Nazis hingerichteten und später selig gesprochenen NS-Wehrdienstverweigerers Franz Jägerstätter, Franziska, starb 2013 © APA/PETSCHENIG/ PICTURENEWS.AT

Im Zentrum aber steht Diehl als Franz Jägerstätter, ein Bauer aus dem österreichischen Bergdorf Radegund, der mit seiner Frau Franziska (Pachner) und seinen Kindern in den 1930ern einen Hof führt. Als er von den Nationalsozialisten zum Militär eingezogen wird, weigert er sich aus Überzeugung, den Dienst anzutreten. Er sagt beharrlich „Nein“ – mit entsprechend verheerenden Konsequenzen. Die Frau bleibt mit der harten Arbeit auf dem Hof sich selbst überlassen und wird von der Dorfgemeinschaft gemieden. Derweil muss Jägerstätter in Berlin ins Gefängnis, wo er letztlich wegen „Wehrkraftzersetzung“ zu Tode verurteilt und hingerichtet wird. „Es ist ein Film über eine private und stille Entscheidung, sehr persönlich und spirituell – er ist nicht so sichtbar wie ein Held“, erklärte Diehl in Cannes.

In „A Hidden Life“ arbeitet Malick die wahre Geschichte auf unverkennbare Weise auf. Der Film ist eine bildstarke, sinnliche Komposition aus naturromantischen Panoramen, intimen Nahaufnahmen und verzerrten Weitwinkelbildern, in die Voiceover-Gedanken hineinströmen wie auch immer wieder und wieder das Licht der Sonne. Die Dreharbeiten dazu verliefen – bereits 2016 – anders als sonst auf Filmsets üblich. „Wir haben nicht eine Szene nach der anderen gedreht, sondern auch mit langen Takes viel improvisiert“, berichtete Pachner in Cannes. Meist ging es darum, den richtigen Moment einzufangen.

Sicherlich ist der dreistündige Film nicht nur eine gute halbe Stunde zu lang und man kann mit der Glaubensgetragenheit fremdeln. Doch nachdem Malicks assoziative Filmgedankenströme wie „Knight of Cups“ oder „To the Wonder“ mitunter ins Prätentiöse glitten und sein markanter Stil in den Manierismus, hat er seine Inszenierung diesmal mit einer klaren Erzählung gezähmt. Das ist zugänglicher als zuvor und nimmt einen über weite Strecken intensiv für sich ein: ein wuchtiges Meisterwerk mit erhöhter Palmen-Chance, das mit unverkennbarer lyrischer Sensibilität das Grauen dem Grundguten, die Tragik der Liebe und Naturerhabenheit gegenüberstellt. „Er (Malick) lud uns auf eine Suche ein, aber nicht nach Antworten, sondern zu Fragen“, erklärte Diehl. Und diese Fragen sind einmal mehr bei Malick die großen Fragen der menschlichen Existenz, wobei die Geschehnisse ihren klaren Widerhall im Hier und Jetzt finden, wo der Rechtspopulismus weltweit mehr Zulauf findet.