Das Filmfestival Locarno feiert - genau wie jenes in Cannes - in diesem Jahr seinen 70. Geburtstag. Sich auf den Lorbeeren vergangener Jahre auszuruhen, kommt für das Team um den künstlerischen Leiter Carlo Chatrian nicht infrage: Man will dem Film den Weg in die Zukunft ebnen.
So stellten Chatrian und Präsident Marco Solari am Mittwoch in Bern vor Medienvertretern denn auch kein umfangreiches Jubiläumsprogramm vor, sondern richteten ihre Aufmerksamkeit ganz auf die kommende Ausgabe (2. bis 12. August). Und diese geht mit neuem Namen an den Start: Das Festival del film nennt sich neu Locarno Festival.
Tausende Filme schauten sich der künstlerische Leiter und sein Team an, 18 Werke aus aller Welt - darunter vier Dokumentarfilme - haben es in den großen internationalen Wettbewerb um den Goldenen Leoparden geschafft. Darunter findet sich das deutsche Familiendrama "Freiheit" von Regisseur Jan Speckenbach mit Johanna Wokalek in der Hauptrolle. Aus der Schweiz ist Regisseur Dominik Locher mit seinem neuen Paardrama "Goliath" im internationalen Wettbewerb vertreten. Denis Cote zeigt die kanadisch-schweizerische Koproduktion "Ta peau si lisse" über Bodybuilder und ihre täglichen Kämpfe.
Ganz ließ es sich Präsident Solari im Hotel Bellevue Palace nicht nehmen, auch auf die lange - und teilweise wechselvolle - Geschichte des Festivals hinzuweisen. Doch vor allem aus der Krise im Jahr 2000, als das Festival vor einem finanziellen Ruin stand, sei man gestärkt hervorgegangen, ja "stärker denn je und selbstbewusst". Das verdanke das Festival dem "Vertrauen der Behörden, der Sponsoren und des Publikums".
Das Festival will sich weiterentwickeln und das nicht nur künstlerisch: Mit den drei neuen Kinosälen im PalaCinema und dem renovierten Saal im GranRex kommen vier neue Lokalitäten hinzu. 2017 stehen neue Reihen wie "Locarno Talks" mit prominenten Gästen oder "Locarno Kids" mit Filmen für Kinder auf dem Programm.
Für gewöhnlich locken Blockbuster auf der Piazza Grande das große Publikum an. Dieses Jahr steht etwa "Atomic Blonde" mit Charlize Theron als Superagentin auf dem Programm (11. August). Und auch eine deutsch-österreichische Koproduktion läuft auf der großen Freiluftleinwand vor 8.000 Menschen: "Iceman" mit Jürgen Vogel, bei dem Amour Fou Vienna als Koproduzent fungiert. Regisseur Felix Randau erzählt darin eine frei erfundene Geschichte um den Tod der als Ötzi bekannt gewordenen Gletschermumie, die 1991 nach mehr als 5.000 Jahren aus dem Eis der Ötztaler Alpen in Südtirol geborgen wurde.
Ein Blick auf die Liste aller Filme der Piazza und des internationalen Wettbewerbs zeigt: Filmemacherinnen sind einmal mehr deutlich unterrepräsentiert, gerade mal fünf der insgesamt 34 Werke stammen von Frauen. In der Reihe "Cineasti del presente" zeigt immerhin die Linzerin Astrid Johanna Ofner ihren Erstling "Abschied von den Eltern" nach der gleichnamigen Erzählung von Peter Weiss. Weltpremiere feiert auch Mathias Krepps "Sand und Blut" in der Sektion "Out of Competition": Die Collage porträtiert die jüngere Geschichte der Konfliktregionen Irak und Syrien aus der Perspektive Geflüchteter.
Einen Leckerbissen kündigte Chatrian Fans des Autorenkinos an: Das Festival zeigt "Grandeur et décadence d'un petit commerce de cinéma", einen Film von Jean-Luc Godard. Das als Fernsehfilm gedachte Werke drehte Godard bereits 1986 im Auftrag des französischen Fernsehens, doch erst jetzt kommt das Werk in die Kinos.
Viele der prominenten Gäste stammen dieses Jahr aus der Riege französischer Filmstars: So stellen sich Fanny Ardant, Mathieu Amalric, Vanessa Paradis oder Mathieu Kassovitz dem Blitzlichtgewitter auf der Piazza Grande. "Iceman"-Darsteller Jürgen Vogel hat sich ebenso angekündigt wie "Atomic Blonde"-Hauptdarstellerin Charlize Theron sowie Willem Dafoe, Glenn Close und Noomi Rapace. Oscarpreisträger Adrien Brody ("The Pianist") wird für seine Schauspielkunst mit dem Preis des Leopard Clubs ausgezeichnet, Nastassja Kinski wird mit einer Hommage geehrt.
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