Der Jazz ist im Aufwind: Mit den Soundtracks zu seinen nostalgischen Salon-Komödien liefert Woody Allen schon seit vielen Jahren so etwas wie das Grundrauschen. Er aber ist nicht der einzige, der Spaß am Jazz hat. Neben einer Miles-Davis-Hommage von Don Cheadle ist es vor allem Oscarpreisträger Damien Chazelle, der mit "Whiplash" und "La La Land" zuletzt für die großen Jazz-Ausrufezeichen sorgte.
Am Freitag kommt Robert Budreaus Film über den legendären, smarten, coolen, verdammt gut aussehenden und schwer drogensüchtigen Jazz-Trompeter Chet Baker (1929-1988) in die Kinos, der mit viel Schmerz in der Seele und großer Wahrhaftigkeit von Ethan Hawke verkörpert wird. Und wenn dieser ganz zerbrechlich und einfühlsam "My Funny Valentine" singt, dann sorgt Hawke für einen Gänsehautmoment in "Born To Be Blue" - von denen es so einige gibt.
Als klassisches Biopic will sich die Baker-Hommage allerdings nicht verstanden wissen. Mehr wie eine Jazz-Improvisation hat Budreau seine komplexe Geschichte angelegt, die sich - wie schon Cheadles "Miles Ahead" (2015) - elegant zwischen Fakten und Fiktion bewegt. Ein intelligentes und emotionales Abenteuer, eine Liebeserklärung an den Jazz.
Ein feines Vexierspiel
"James Dean des Jazz" wurde Chet Baker genannt, und so inszeniert ihn auch Budreau, der ikonische Bilder des jung gestorbenen Schauspielers Dean auf Chet Baker ummünzt, die sich wiederum in Ethan Hawke kristallisieren, der lange Zeit in Hollywood als DER Mr. Cool galt. Eine schöne Image-Überlagerung, ein feines Vexierspiel, bei dem sich Ethan Hawke als perfekte Besetzung erweist.
Ähnlich komplex und kunstvoll wie einen Jazz-Song hat Budreau seinen ganzen Film aufgebaut, in dem Rückblenden, Bilder in Schwarz-Weiß und in Farbe sowie ein - zunächst verwirrender - Film im Film sich gegen eine eindeutige Linearität stemmen.
Rasanter Aufstieg, rasante Abstürze: Chet Baker kennt die Extreme des Lebens. Und "Born To Be Blue" setzt bei einem absoluten Tiefpunkt ein. Baker ist fertig, ausgeknockt, brutal von seinen Dealern verprügelt. Die Zähne ausgeschlagen. Das war's. Aus und vorbei. Einer der weltweit besten Jazz-Trompeter wird wohl nie wieder spielen können.
Aufgeben? Das aber kommt für den Jazzer nicht infrage. Die Musik ist sein Leben, sein Lebenselixier. Dafür ist er sogar bereit, seine Drogensucht mit Methadon in den Griff zu kriegen. Obwohl Baker sagt, es mache ihn glücklich, high zu sein.
Mit blutigem Mund
Dieser Weg aus der Tragödie ist schmerzhaft und nicht selten deprimierend. Dafür braucht Budreau nur wenige Bilder. Am nachdrücklichsten bleibt der Moment in Erinnerung, als Chet Baker mit blutigem Mund (und inzwischen mit Zahnprothese) verzweifelt in der Wanne sitzt und versucht, seiner Trompete ein paar brauchbare Töne zu entlocken. Vergebens. Katzenjammer.
Obwohl es einfach gewesen wäre: "Born To Be Blue" ist kein Porträt eines Künstlers, der auf seinem permanenten Weg der Selbstzerstörung durch die Drogenhölle geht. Chet Baker wird hier eher als ein talentierter Künstler beschrieben, der sich zurück ins Leben und die Kunst kämpft. Unterstützung erfährt er dabei von seiner (fiktiven) Freundin Jane (Carmen Ejogo).
Es ist ein langer Weg zurück in den legendären Jazz-Club Birdland, wo Chet Baker unbedingt sein Comeback geben will. Und er will es Dizzy Gillespie und Miles Davis zeigen, dass mit dem smoothen Westcoast-Jazzer noch immer zu rechnen ist. Spätestens dann muss sich Chet Baker entscheiden - zwischen Liebe, Leben, Kunst und dem Tod.