Ein Spielfilm wird zum Politikum. Zwei Monate vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich knüpft sich eine Kinoproduktion die Front National vor und setzt sich mit dem Aufstieg der rechtsextremen Partei auseinander.

"Chez nous", was auf Deutsch "Bei uns" bedeutet, kommt am Mittwoch in die Kinos, hat aber schon im Vorfeld wütende Reaktionen der Partei von Marine Le Pen provoziert. Von einem "Skandal" spricht Parteivize Florian Philippot, ein FN-Bürgermeister beleidigte eine der Hauptdarstellerinnen. Dem Spielfilm ist so erst recht große Aufmerksamkeit gewiss.

Weder die Front National noch Le Pen werden in "Chez nous" namentlich genannt - doch die Parallelen im Film des belgischen Regisseurs Lucas Belvaux sind so offenkundig wie gewollt. In dem von hoher Arbeitslosigkeit geplagten Norden Frankreichs will der von einer charismatischen Parteichefin angeführte rechtsextreme "Patriotische Block" bei Kommunalwahlen eine imaginäre Kleinstadt erobern. Als Spitzenkandidatin soll die Altenpflegerin Pauline Duhez antreten, die zwar politisch uninteressiert, aber in der Stadt sehr beliebt ist. Die Tochter eines früheren kommunistischen Metallarbeiters lehnt zunächst ab - lässt sich dann aber in den Bann der Partei ziehen. "Frankreich braucht Menschen wie dich", hofiert sie ein angesehener Arzt, seit Jahrzehnten ein Strippenzieher der Rechtsextremen. "Man muss die Dinge um sich herum verändern, um die Welt zu verändern."

Der Spielfilm analysiert, wie sich die Rechtsextremen eine anständige, bürgerliche Fassade geben, um Wähler zu gewinnen. Wie junge, aalglatte Politprofis den Wahlkampf durchplanen. Wie offen rassistisches Vokabular verbannt wird, um niemanden zu verschrecken. Aber auch, wie eng die Verbindungen zu gewalttätigen Rechtsradikalen sind, von denen sich die Partei aus Imagegründen abgrenzen will. "Chez nous" zeichnet damit die Entwicklung der Front National nach, seit Marine Le Pen Anfang 2011 von ihrem Vater Jean-Marie die Parteispitze übernahm.

Die Vorsitzende hat die FN einer Kur der "dédiabolisation" unterzogen, der "Entdämonisierung". Ihren Vater hat sie wegen seines antisemitischen Gepolters sogar aus der Partei geworfen. Unter ihrer Führung ist die Front National von Wahlerfolg zu Wahlerfolg geeilt, wurde bei der Europawahl 2014 sogar erstmals stärkste Kraft in Frankreich.

Bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am 23. April könnte Le Pen die meisten Stimmen bekommen. In der folgenden Stichwahl gilt sie zwar eigentlich als chancenlos; nach dem überraschenden Brexit-Votum und dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA macht sich bei vielen aber ein mulmiges Gefühl breit. "Chez nous" - der Gesang "On est chez nous" (Wir sind hier bei uns) wird regelmäßig bei FN-Wahlkampfveranstaltungen angestimmt - ist als klare Warnung vor der Front National gedacht.

"Wir haben alles unternommen, damit der Film vor der Präsidentschaftswahl fertig wird", sagte Regisseur Belvaux in einem Interview. "Ich will, dass die Wähler wissen, was sie gutheißen, wenn sie FN wählen." Denn der Tenor ist, dass die Partei nur ihre Strategie verändert hat, nicht aber ihr wahres Wesen und ihre Ziele. Die Rechtsextremen reagierten schon bei Veröffentlichung des Filmtrailers erzürnt. Es sei "skandalös", dass ein "Anti-Front-National"-Film genau zwei Monate vor der Präsidentschaftswahl ins Kino komme, erklärte Le Pens Chefstratege Philippot.

Steeve Briois, FN-Bürgermeister der nordfranzösischen Stadt Hénin-Beaumont, lästerte auf Twitter über das Aussehen der Schauspielerin, die in dem Film das Le-Pen-Double gibt: "Arme Marine Le Pen, die von der kleinen Dicken Catherine Jacob karikiert wird. Das wird ein fürchterlicher Schundfilm."