Meryl Streep kann bekanntlich alles. Sie kann sogar so tun, als könne sie nicht singen. In Stephen Frears' Tragikomödie "Florence Foster Jenkins" verkörpert die 67-Jährige jene exzentrische Millionärin, die als schlechteste, aber auch mutigste Opernsängerin in die Geschichte einging. An ihrer Seite brilliert Hugh Grant in seiner wohl bisher besten, reifsten Rolle.

Königin der Nacht

Im Jahr 1944 ist die schwerreiche Erbin Florence Foster Jenkins (Streep) eine fixe Größe in den gehobenen Kreisen New Yorks. Überrannt und legendär sind ihre Auftritte im von ihr gegründeten Verdi-Club, in dem sie sich in extravagante Kostüme und aufwendige Perücken wirft, um in Tableaux vivants die Walküre oder Königin der Nacht zu geben. Doch den Traum einer Karriere als Opernsängerin hat sie, deren "Lebensinhalt die Musik" ist, sich nie erfüllt - und beschließt, das nachzuholen, bevor es zu spät ist. Was Florence nicht weiß (bzw. selbst nicht hört): Sie hat eine grauenhafte Stimme und keinerlei Gefühl für Rhythmus und Intonation.

Bestochene Musikkritiker

Weder ihr Ehemann St Clair Bayfield (Grant) noch ihr Gesangscoach oder ihre vielen Anhänger sagen ihr das, beeindruckt Florence doch alle mit ihrem Selbstbewusstsein, wenn sie voller Inbrunst in Fantasiesprache Arien schmettert. Auch ihrem anfangs entsetzten neuen Konzertpianisten Cosmé McMoon (Simon Helberg) wächst sie bald ans Herz. "Sie ist eigen, aber großzügig", versichert St Clair dem um seinen Ruf besorgten Nachwuchsmusiker. "Unsere Welt ist eine glückliche." Dass sich ihr Publikum beim ersten öffentlichen Konzert nach langer Zeit weder vor Lachen zerkugelt noch vor Grauen verzieht, liegt an den peniblen Vorbereitungen von St Clair, der nur eingeschworene Fans der eigenwilligen Dame zulässt und Musikkritiker besticht.

Auftritt in der Carnegie Hall

Die rosarote Welt droht auseinanderzufallen, als eine Privataufnahme von Florences "Gesang" im Radio landet. Die Reaktionen der Hörer fallen derart euphorisch aus, dass sich Florence ein gewagtes Ziel steckt: vor 3.000 Menschen in der berühmten Carnegie Hall singen. Und St Clair tut sein Möglichstes, die drohende Demütigung abzuwehren...

Die wahre Geschichte vom umjubelten, ausverkauften Auftritt in der Carnegie Hall von Florence Foster Jenkins (1868-1944) hat schon zuvor Theater- und Filmemacher inspiriert. Hat der französische Regisseur Xavier Giannoli die Handlung zuletzt mit "Madame Marguerite" (2015) ins Paris der frühen 20er-Jahre verlegt, bleibt der Brite Stephen Frears ("Die Queen", "Philomena") Jenkins' Biografie weitgehend treu. "Florence Foster Jenkins" wartet mit einem wunderbar harmonisierenden Cast auf, bietet dank des umwerfenden Produktionsdesigns viel für die Augen und dank skurriler Fremdschäm-Momente von Florence auch so einiges für die Ohren.

Frears' Annäherung ist in erster Linie aber eine sehr bewegende, warmherzige und im Tempo entschleunigende Würdigung einer vom Schicksal gebeutelten, willensstarken Frau, die vom Vater am Musizieren gehindert und sehr jung vom ersten Ehemann mit Syphilis infiziert wurde. Das erklärt auch die unkonventionelle Konstellation mit ihrem langjährigen Ehemann St Clair, einem gescheiterten englischen Schauspieler, der eine Liebesbeziehung mit seiner Mätresse Kathleen (Rebecca Ferguson) unterhält, dessen Loyalität und Zuwendung aber hundertprozentig bei Florence liegen.

Ansteckender Frohsinn

Hugh Grant, der in zahlreichen Liebeskomödien mal den unbeholfenen ("Notting Hill"), schleimigen ("Bridget Jones") oder verschmitzten ("Love Actually") Engländer gab, überrascht hier mit seiner sehr zärtlichen, empathischen Performance des aufopferungsvollen Lebensbegleiters. Es entzückt, wie er für die kranke, geschwächte Florence mit sanfter Stimme Abend für Abend Gedichte rezitiert und Tag für Tag eine Welt aufrechterhält, in der alles möglich scheint. Meryl Streep wiederum verleiht Florence eine rührende Unschuld, einen ansteckenden Frohsinn. Ihre Florence trägt stets zu dick auf und erfreut sich voll und ganz daran. Eine Originalaufnahme von Jenkins im Abspann führt dann auch vor Augen, wie originalgetreu Streep die schiefsten Töne trifft. Eine 20. Oscar-Nominierung scheint ihr damit sicher.