Sein Debüt „Heile Welt“ wurde auf der Diagonale als „Bester österreichischer Film“ prämiert. Den Thriller „HomeSick“ präsentierte der Grazer Regisseur Jakob M. Erwa auf der Berlinale. Nun folgt die Verfilmung von Andreas Steinhöfels Bestseller „Die Mitte der Welt“, dessen junger Held sich rettungslos in einen Mitschüler verliebt.
Herr Erwa, die sexuelle Orientierung ist in Ihrem Film als völlig selbstverständlich gesetzt. Gehört das Thema Coming-out der Vergangenheit an?
JAKOB M. ERWA: Coming-out-Filme werden immer eine Berechtigung haben. Aber ich finde es wichtig, dass Schwulsein nicht ständig nur als Problem dargestellt wird. Im Roman ist die Problematisierung der sexuellen Orientierung noch einer der Handlungsstränge. Im Film wollte ich darauf verzichten, weil schwul, lesbisch, bi- oder transsexuell zu sein, für heutige Jugendliche oft kein großes Thema mehr darstellt.
Wie heikel ist die Inszenierung von Sexszenen mit jungen Darstellern?
Das ist eine große Verantwortung und verlangt besondere Behutsamkeit, schließlich sind die Darsteller bei solchen Szenen nicht nur körperlich nackt, auch emotional fallen alle Hüllen. Eine Vertrauensbasis ist deswegen enorm wichtig.
Wie wichtig sind die Szenen?
In vielen Filmen sind Sexszenen völlig überflüssig, man merkt, sie dienen nur billigem Voyeurismus. Ich wollte sie, weil mir die Beschreibung von Sinnlichkeit und Leidenschaft im Roman gefiel. Und Sex gehört wie die Musik zum jugendlichen Leben. Außerdem wollte ich zeigen, dass schwuler Sex wie Hetero-Sex zärtlich, sinnlich, schön anzusehen sein kann.
Ihr Hauptdarsteller Louis Hofmann gilt bereits als ganz großes Nachwuchstalent, mit „Unter dem Sand“ geht er gar ins Oscar-Rennen. Wie haben Sie den damals eher unbekannten Darsteller entdeckt?
Louis kam ganz normal zum Casting – und ich war sofort hin und weg von ihm. Er ist für einen Regisseur wie eine Bank: Im Notfall kann man immer auf ihn schneiden. Er geht mit großer Ernsthaftigkeit an die Dinge heran und sucht bewusst nach komplexen Rollen. Je weiter die Figuren von ihm weg sind, desto reizvoller ist es für ihn, weil er sich dann etwas trauen muss. Dass seine Karriere gerade riesige Sprünge macht, wundert mich kein bisschen. Es ist für mich völlig klar, dass Louis einmal einer der ganz Großen in Deutschland wird. Und vermutlich weit darüber hinaus.
Dieter Oßwald