Der deutsche Kinostar Clemens Schick spielt die Hauptrolle in Valentin Hitz' Sci-Fi-Thriller "Stille Reserven" über eine technologisierte Gesellschaft der Zukunft. Die APA sprach mit dem 44-Jährigen anlässlich der heutigen Österreich-Premiere bei der Viennale über sein eigenes analoges Leben, die Fähigkeit des Menschen zur Verdrängung und die Frage, warum er oft dunkle Charaktere spielt.
Austria Presse Agentur:Ist für Sie "Stille Reserven" primär ein Sci-Fi-Thriller oder der politische Kommentar zur aktuellen Lage der Gesellschaft?
Clemens Schick: Der Film hat eine lange Entstehungsgeschichte. Valentin Hitz hat vor acht Jahren begonnen, das Drehbuch zu schreiben, insofern ist es kein aktueller Kommentar. Zugleich macht es die Qualität eines Skripts aus, wenn es eine Allgemeingültigkeit besitzt. Der Film hat insofern absolut Relevanz. In erster Linie haben wir aber einen Retro-Science-Fiction-Thriller gedreht.
Inwiefern empfinden sie den Film als Retrowerk?
Schick: Das beginnt beim Look. Meine Figur Baumann könnte genauso in den 20er- und 30ern existieren. Es gilt aber auch für die Sprache, die etwas "Unmodernes" hat. Die Grundfrage ist ja immer, wie man im Film die Sprache der Zukunft gestaltet - noch salopper als wir uns das heute angewöhnt haben? In "Stille Reserven" sind die Dialoge hingegen sehr stilisiert.
Wie dystopisch, wie abstrakt ist das in "Stille Reserven" skizzierte Szenario in Ihren Augen?
Schick: Wir sind heute nicht so weit von der Filmrealität entfernt. Wir richten unser Leben immer mehr nach der wirtschaftlichen Effektivität aus und ordnen uns der Technologisierung unseres Lebens unter. Und der Wunsch in "Stille Reserven", nichts mehr fühlen zu müssen, weil das ineffektiv ist, und deshalb über manche Dinge nicht mehr nachzudenken, findet man auch bei uns in der Realität. Etwa, dass unser Lebensstil in Europa nur möglich ist, weil andere Leute auf der Welt in Sklavenarbeit ausgebeutet werden. Das zu ignorieren, haben wir uns angewöhnt, weil wir es wahrscheinlich nicht aushalten würden. Ich versuche, auf Fleischkonsum zu verzichten, schaffe es aber nicht, obwohl wir wissen, wie bestialisch die Massentierhaltung ist. Wir schaffen es, Dinge abzuspalten in unserem Leben, um überleben zu können.
In "Stille Reserven" wird auch die technische Überwachung kritisch beleuchtet. Wie technikaffin sind Sie in Ihrem Privatleben?
Schick: Ich bin da ambivalent. Ich lebe ein sehr analoges Leben und schreibe sehr viele handschriftliche Briefe. Der Reiz ist das Sinnliche - Leute, denen ich schreibe, erreiche ich anders als mit einer SMS. Und ich bin in manchen Dingen auch konservativ und mag es, mich nach einer Einladung schriftlich zu bedanken. Und auf der anderen Seite ermöglicht mir mein Smartphone, mit meinen Freunden in Kontakt zu bleiben, was die Lebensumstände erleichtert.
Sie sind als Privatmensch gesellschaftspolitisch engagiert. Ist eine entsprechende Relevanz für Sie auch bei der Auswahl eines Filmprojekts entscheidend?
Schick: Das sind zwei verschiedene Ebenen, da es für mich überhaupt keine Bedingung ist, dass ein Projekt eine gesellschaftspolitische Relevanz hat. Ich liebe es, Blockbuster zu drehen. Es wäre furchtbar, wenn der Eindruck entstünde, dass ich ein düster denkender Mensch bin. Mein gesellschaftspolitisches Engagement ist ein Teil von mir, weil ich es wichtig finde, dass man als öffentliche Person eine Verantwortung übernimmt. Deshalb gehe ich mit NGOs nach Afrika oder engagiere mich für Human Rights Watch - auf der anderen Seite genieße ich das Leben aber auch sehr. Mein Beruf hat mir eine Öffentlichkeit gebracht, die ich versuche, gesellschaftspolitisch zu nutzen. Aber ich mache ihn nicht deshalb - das ist ein Nebeneffekt.
Wie kommt es dennoch, dass Sie im Film so oft dunkle Charaktere verkörpern?
Schick: Wenn man einmal angefangen hat, in solchen Rollen zu arbeiten, regt das wohl die Fantasie der Entscheidungsträger an. Und mir macht das einfach auch Spaß, was man wohl merkt. Ich kann keine Rolle spielen, indem ich sie verurteile. Ich muss erstmal die Figur so verstehen, dass es etwa für Richard III. richtig ist, Menschen umzubringen. Für mich als Figur darf das also erst einmal nicht verwerflich sein.
Martin Fichter-Wöß/APA