Schade eigentlich: 69 Jahre lang kämpfte sich die berühmteste Amazone der Welt im knappen Sternenbanner-Anzug durch die Welt der Bösewichte, 2010 wurde sie erstmals seit 1941 in die Umkleidekabine geschickt. Zumindest im UNO-Hauptgebäude würde sie heute ungehindert durch die Kontrolle kommen, denn Wonder Woman trägt seit ein paar Jahren nicht Höschen, sondern Hose: lang, schwarz, kombiniert mit einem dunkelroten Oberteil. So oder so wird die Heldin an ihrem 75. Geburtstag nicht zu ihrer großen Sause kommen, sie ist vermutlich schon im Einsatz: für Frauen- und Mädchenrechte. Heute wird sie dafür offiziell von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon zur Sonderbotschafterin ernannt.
Auch kritische Stimmen
Nicht überall ist diese Entscheidung auch auf Gegenliebe gestoßen. Es gebe genügend reale Frauen, die man statt einer Comic-Figur nehmen könnte, kritisierte unter anderem die US-Politikerin Shazia Rafi. Hinzu kommt ein weiterer Kritikpunkt: Wird doch mit António Guterres neuerlich ein Mann an die Spitze der UNO gestellt. Ein UNO-Sprecher konterte: „Um junge Leute zu erreichen, muss man kreativ sein.“
Vielleicht färbt die Strahlkraft des Amtes ja auch auf seine Trägerin ab, denn Wonder Woman bekommt selbst im Comic-Universum nicht jene Aufmerksamkeit, die sie verdient hätte. Dabei gehört die 75-Jährige zum Fix-Inventar des Comic-Pantheons: Mit Superman (*1938) und Batman (*1939) bildet sie die großen drei der Comicwelt. Auch ihr Arbeitgeber, DC Comics, vermerkt in ihrem Arbeitszeugnis: „Nichts gegen die Lara Crofts, Buffys oder Disney-Prinzessinnen dieser Welt, aber Wonder Woman ist die berühmteste Heldin aller Zeiten.“
Auch ihre Erfinder, der US-Psychologe und Feminismus-Theoretiker William Moulton Marston und seine Frau Elizabeth, haben „WWs“ Rolle mit einem klaren Auftrag hinterlegt: „Wonder Woman ist eine psychologische Propaganda für einen neuen Typ von Frau, die die Welt regieren sollte.“ Die Theorie war gut, die Umsetzung bisweilen mehr als holprig: Zwar kämpfte die Amazonenprinzessin von der Paradiesinsel Themyscira gleich zu Beginn mit dem US-Offizier Steve Trevor (der auf der Insel abgestürzt war und den Wonder Woman in die „Welt der Männer“ zurückbegleiten durfte) gegen die Nazis. Aber schon bald färbte die Vorliebe ihres Erfinders für Bondage und Fesselung mit dem Ziel der Unterwerfung auch auf seine Heldin ab: Zu oft wurde sie gefesselt und so ihrer Kräfte beraubt – und fungierte damit nicht zuletzt auch als Projektionsfläche für männliche Sexualfantasien.
Doch Wonder Woman hat sich davon befreit, die McCarthy-Ära überlebt und bekommt nächstes Jahr, 76 Jahre nach ihrem ersten Auftreten, ihren ersten eigenen Kinofilm. Ob die Ernennung zur Sonderbotschafterin mehr als ein Werbegag ist, wird sich zeigen. Dabei sollte man mit Wonder Woman nicht spaßen, denn ihre beste Waffe ist das Wahrheitslasso. Das setzt sie ein, gnadenlos.