Es gibt nicht viele Regisseure, die Geschichten nicht nur verfilmen, sondern auf der Leinwand zum Leben erwecken - Tim Burton ist zweifellos einer von ihnen. Wie in "Sweeney Todd" und "Alice im Wunderland" merkt man auch seinem aktuellen Fantasyabenteuer den Spaß an, den er und sein Team bei der Umsetzung von Ransom Riggs' Roman „Die Insel der besonderen Kinder“ hatten.
Burton verpasst dem düsteren Märchenplot einen bunten Anstrich und setzt eigene Akzente. Ein schwieriger Balanceakt, den der Kinomagier mit einem gelungenen Mix aus realistischem und fantastischem Erzählstil meistert. Deutlich schwieriger hat es der von Nachwuchsstar Asa Butterfield ("Hugo Cabret") verkörperte Protagonist Jacob. Seit seiner frühesten Kindheit erzählt ihm sein Großvater (Terence Stamp) Geschichten rund um ein Waisenhaus voller Kinder mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Für Jacobs Vater (Chris O'Dowd) sind es nur Hirngespinste eines alten Mannes, für den 16-Jährigen hingegen die Möglichkeit, seinem Außenseiterdasein zu entfliehen. Fakt oder Fiktion?
Nach dem mysteriösen Tod seines Opas versucht Jacob, eine Antwort zu finden. Er überredet seinen Vater, das Haus der „besonderen Kinder“ nahe Wales zu besuchen. Dabei gerät er in eine Zeitschleife, die ihn in das Jahr 1943 verschlägt, wo Heimleiterin Miss Peregrine (Eva Green) mit ihren unkonventionellen Schützlingen abgeschirmt von der realen Welt lebt. Was der Teenager zu diesem Zeitpunkt nicht weiß: Abtrünnige „Besondere“ unter der Führung von Bösewicht Barron (Samuel L. Jackson) bedrohen das Leben der Zeitschleifenbewohner - und nur Jacob kann sie retten.
Ein kleines Mädchen mit Herkules-Kräften, unsichtbare Kinder, ein Bub, der kurzzeitig Tote wieder zum Leben erwecken kann, und andere Freaks mit außergewöhnlichen Fähigkeiten - all das begegnet Jacob auf seiner Reise in die fantastische Parallelwelt. Besonders Emma (Ella Purnell), die Luft und Wetter kontrollieren und über dem Boden schweben kann, hat es dem pubertierenden Teenager angetan. Die Beziehung der beiden bringt eine romantische Note in die düstere Story und ist exemplarisch für Burtons Figurenzeichnung. Gemeinsam mit Drehbuchautorin Jane Goldman verpasst er den „übermenschlichen“ Kids eine zutiefst kindliche Seele. Trotz Superkräften und der Bedrohung durch Schattenwesen bleiben die kleinen Außenseiter bis zum Endkampf zwischen Gut und Böse, was sie sind: Kinder, die sich wie ihre „normalen“ Altersgenossen nach Liebe und Anerkennung sehnen.
Jürgen Belko