Zehn Jahre ist es jetzt her, dass das Meisterwerk „Das Leben der Anderen“ in die Kinos kam. Der Film bekam den Auslandsoscar, Hauptakteur Sebastian Koch wurde mit dem Globo d’Oro als bester europäischer Schauspieler ausgezeichnet. Für ihn bedeutete „Das Leben der Anderen“ auch den Schritt in die internationale Filmwelt. Der Bayerische Rundfunk zeigt Florian Henckel von Donnersmarcks Film am Samstag um 23.30 Uhr. Für seine neuen Kinoproduktionen, „Nebel im August“ (ab 7. Oktober) und „Im Namen meiner Tochter“ (ab 28. Oktober), kam Sebastian Koch jetzt nach Wien. Wir führten ein Gespräch mit dem 54-jährigen Karlsruher im Hotel Sacher.

Herr Koch, Sie wollten eigentlich Musiker werden, aber die Inszenierungen des damaligen Intendanten in Stuttgart, Claus Peymann, brachten Sie zur Schauspielerei. Haben Sie je mit Peymann darüber geredet?
SEBASTIAN KOCH: Ja, ich hab's ihm bei einem Zusammentreffen gesagt. Und er hat es als großes Kompliment aufgefasst.

Ihren allerersten TV-Auftritt hatten Sie 1980 in der 77. Folge der bekannten Krimireihe „Derrick“, die Episode betitelte sich „Dem Mörder eine Kerze“. Ist Ihnen dieser Auftritt in guter Erinnerung geblieben?
KOCH: Schon. Vor allem jener Augenblick, als ich in diesem großen, künstlichen Büro einer Riesenfigur wie Derrick gegenüber stand. Da war ich zunächst sprachlos. Dieses TV-Engagement war außerdem eine gute Gelegenheit, ein bisschen Geld dazuzuverdienen. Das hat einen bescheidenen Theaterschauspieler über den Monat gerettet. Man konnte leichter seine Miete bezahlen. Ja, und spannend war's natürlich auch.

Koch mit Martina Gedeck in "Das Leben der Anderen"
Koch mit Martina Gedeck in "Das Leben der Anderen" © Bayern

„Das Leben der Anderen“ muss für Ihre Karriere von entscheidender Bedeutung gewesen sein?
KOCH: Keine Frage, mir wurde dadurch eine internationale Tür aufgestoßen. Seither drehe ich auch in englischer Sprache. Ich kann unter vielen Büchern und internationalen Märkten auswählen.

So etwa haben Sie auch in französischer Sprache gefilmt, „Im Namen meiner Tochter“ mit Daniel Auteuil, der hierzulande am 28. Oktober anläuft.
KOCH: Zum ersten Mal nach zwölf Jahren durfte ich in einem Film wieder französisch sprechen. Und es war interessant zu verfolgen, was das Gehirn alles speichert. Das ist wie mit komplizierten Gitarrengriffen. Wenn man das nach längerer Zeit versucht, na ja, ein, zwei Mal geht nichts, doch dann ist es wieder da.

Bei Ihren beiden aktuellen Filmen fällt so etwas wie ein „Fachwechsel“ auf. Sonst sind Sie meist der aufrechte Deutsche, hier aber jeweils der Inbegriff des Bösen?
KOCH: Ein Fachwechsel ist es nicht, es handelt sich nur um zwei interessante Rollen. Von Bösewichten kann man nicht wirklich sprechen. Das Böse ist nicht gleich als solches zu erkennen. Die Figuren, die ich da spiele, leben in einer ganz eigenen, verrückten Welt. Wie in „Nebel im August“ als Dr. Veithausen, der Chef einer Euthanasie-Klink in der Nazizeit? KOCH: Der glaubt ja, er tut Gutes. Was ihm völlig fehlt, ist ein schlechtes Gewissen. Die Aufgabe des Schauspielers war dann für mich, die verrückte Realität dieses Arztes für den Zuschauer logisch zu machen. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang das Entstehen des Sozialdarwinismus am Ende des 19. Jahrhunderts. Wie kann man helfen, das Erbgut der Menschen zu verbessern? Wie kann man überhaupt den perfekten Menschen schaffen? Das waren damals aktuelle Fragen. Dass die Nazis das später aufgriffen, eigene Gesetze erließen und das auf eine rein rassistische Form zuspitzten, war natürlich ein Verbrechen. Der Arzt im Film – die Geschichte beruht übrigens auf wahren Ereignissen – glaubt an dieses System, an „Erlösung“. Ich spiele ihn daher nicht als bösen Nazi, sondern stelle ihn, so pervers das klingt, mit seiner verrückten Logik in die humanwissenschaftliche Ecke. Ihm fehlt ja, wie schon vorher gesagt, das schlechte Gewissen.

Auch in „Im Namen meiner Tochter“, beruht ebenfalls auf wahren Ereignissen, sind Sie ein Arzt. Da geht es um Mädchenmord. Ein verzweifelter Vater, gespielt von Daniel Auteuil, kämpft darum, den Mörder seiner Tochter vor Gericht zu bringen, und steht vor unfassbaren Hindernissen?
KOCH: Ja, weil ihn die deutsche Justiz behindert. Jedes Land hat eine eigene Verfassung, die Deutschen zum Beispiel halten sehr am Unschuldsprinzip fest. Wenn dann einer, wie der französische Vater, in die Grauzone gerät, kann das zum blanken Horror werden.

Sie haben seit dem „Leben der Anderen“ mit zahlreichen internationalen Regisseuren gearbeitet. Auch mit Steven Spielberg für „Bridge Of Spies“. Wie war es mit ihm?
KOCH: Eine Begegnung der besonderen Art. Ein außergewöhnlicher Mensch. Unter seiner Leitung wurden wir, auch Hauptdarsteller Tom Hanks, zu einer richtigen Arbeitsfamilie. Klar war ich aufgeregt, denen zu begegnen, doch nachdem ich so liebevoll aufgenommen wurde, war die ganze Aufregung weg. Spielberg schaffte es, einen Raum zu kreieren, in dem man gut probieren konnte. Hollywood blieb da wirklich draußen.

Zu Ihren internationalen Aufgaben gehört auch die Showtime-Serie „Homeland“, die im deutschen Sprachraum auf Sat.1 läuft. Seit der fünften Staffel verkörpern Sie darin einen deutschen Unternehmer. Wie geht es weiter, und welche sind die speziellen Unterschiede zu Kinoproduktionen?
KOCH: Wir waren für die sechste Staffel eben in New York. Mit einer solchen Staffel ist man den Herstellern fünf bis sechs Monate permanent ausgeliefert. Prinzipiell ist das Leben als Seriendarsteller nicht so mein Ding, weil ich wenig mitreden und mitkreieren kann. Das ist eben eine Dimension, die es einem schon allein aus Zeit- und Tempogründen nicht erlaubt, so kreativ einzugreifen, wie man es gern möchte. Aber es ist interessant, einmal diese Erfahrung zu machen. Irgendwie ein Supertraining für einen Schauspieler.

Demnächst folgt Ihr Comeback bei Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck: „Werk ohne Autor“. Man hört: Ein Drama-Thriller-Mix aus der Zeit der deutschen Teilung. Einem Künstler gelingt die Flucht in den Westen. Stimmt das?
KOCH: Was immer Sie gehört haben – ich darf nix sagen.

Was dürfen Sie also momentan sagen?
KOCH: Dass ich jetzt eine Zeit lang Pause mache und dann mit einem Weihnachtsprogramm auf Kirchentournee gehe. Der Titel, „Und lauscht hinaus in weißen Wegen“, ist Rilke entlehnt. Das Programm – auch von Gerhard Polt kommt etwas vor – ist so gestaltet, dass die Leute in der Kirche auch lachen können. Heuer ist nur Deutschland dran, aber im nächsten Jahr toure ich damit hoffentlich auch in Österreich.