Das Sklavendrama "The Birth of a Nation" galt bereits als früher Oscar-Favorit, doch ein alter Vergewaltigungsvorwurf gegen Filmemacher Nate Parker (36) hat dem Film geschadet. Der Fall überschattete auch das Toronto Filmfestival, wo Journalisten auf eine Stellungnahme drängten, doch Parker lenkte ab. "Dies ist ein Forum für den Film. Ich will sicherstellen, dass wir diesen Film ehren", so Parker.

Nate Parker ist Co-Autor, Regisseur und Hauptdarsteller von "The Birth of a Nation", einem Drama, das nach einem rassistischen Stummfilm von 1915 benannt ist und unmittelbar nach seiner Premiere beim Sundance Filmfestival Anfang des Jahres - und somit auch inmitten der #OscarsSoWhite-Kontroverse - als wichtigster Film der kommenden Oscar-Saison gehypt wurde. Der Film handelt von Nat Turner, einem schwarzen Sklaven und Prediger, der im Jahr 1831 in Virginia einen Sklavenaufstand anzettelte und dafür gehängt wurde, heute aber fast vergessen ist.

Nate Parker in der Rolle von Nat Turner
Nate Parker in der Rolle von Nat Turner © AP

Es ist ein relevantes Thema angesichts der ethnischen Spannungen in den USA, doch vor etwa einem Monat begannen Journalisten, Fragen über einen Vergewaltigungsfall in Parkers Vergangenheit zu stellen. Im Jahr 1999 hatte er in seinem Studentenwohnheim Sex mit einer 18-Jährigen, die später Parker und dessen Mitbewohner Jean Celestin wegen sexuellen Missbrauchs anzeigte. Parker wurde freigesprochen, während sein Mitbewohner und "The Birth of a Nation"-Co-Autor Celestin zu sechs Monaten Haft verurteilt wurde. Wie kürzlich bekannt wurde, hat sich die junge Frau im Jahr 2012 das Leben genommen.

Diese dunkle Vergangenheit schwebte über dem Film auch am Wochenende bei seiner Premiere auf dem 41. Toronto Filmfestival. Dennoch erhielt er einen herzlichen Empfang und Standing Ovations. Bei einer Pressekonferenz am Sonntag appellierten Parker und sein Cast an die Journalisten, den Künstler von der Kunst zu trennen. Sie wollten klarstellen, dass nicht nur Parker den Film gemacht habe, sondern sie alle zusammen. "Eine Person macht keinen Film", sagte Parker. "Es waren 400 Personen an diesem Projekt beteiligt. Ich möchte Sie ermutigen, sich daran zu erinnern - mein persönliches Leben beiseite - dass ich nur eine Person bin. Das Erbe von Nat Turner ist wichtig für uns alle", so der Künstler.

"Dies ist nicht die Geschichte von Nate Parker, sondern dies ist die Geschichte von Nat Turner", betonte auch Penelope Ann Miller (52), die im Film eine Sklavenbesitzerin verkörpert. Gabrielle Union (43), die einst selbst das Opfer einer Vergewaltigung wurde und Anfang September in einem Kommentar in der "Los Angeles Times" Bedenken gegenüber Parker geäußert hatte, machte ihm in Toronto keinerlei Vorwürfe. "Wir haben keinen Film geschaffen, sondern eine Bewegung", sagte die US-Schauspielerin und gab an, für all jene Menschen zu sprechen, die in ihrem Leben soziale Ungerechtigkeit erfahren haben. Sie forderte alle dazu auf, fast im Sinne einer bürgerlichen Pflicht, dieser Bewegung beizutreten. "Verbünden sie sich mit uns, um einen Wandel zu schaffen", betonte sie. "Wenn sie ein anständiger Mensch sind, der Teil eines Dialoges sein will über die Dinge, die ihn stören, dann ist dieser Film für Sie und ich hoffe, Sie sitzen ihn nicht aus."

Eine Journalistin der "New York Times" fragte Parker direkt, warum er sich bei der Familie des Opfers bisher nicht entschuldigt habe - doch erhielt darauf keine Antwort. "Der Film gehört nicht mir", sagte der Filmemacher. "Ich will ihn nicht mit meinem persönlichen Leben kapern. Ich will die Menschen feiern, die mir geholfen haben, dies möglich zu machen." Ein weiterer Journalist fragte Parker, ob er denke, dass Hollywood eine gewisse Doppelmoral an den Tag lege, wenn es darum geht, gewisse Menschen für ihre Vergehen zur Rechenschaft zu ziehen - eine interessante Frage, immerhin wurde an diesem Tag nicht nur von der Notwendigkeit Amerikas gesprochen, für seine rassistische Vergangenheit zu sühnen, sondern auch über einen Film, der jeden zu moralischer Verantwortung auffordert. Auch diese Frage lief ins Leere. "Ich behaupte nicht, ein Experte der Reaktionen von irgendjemandem zu sein. Dies ist meine Berufung und ich schätze mich glücklich", antwortete Parker.

Parkers Co-Star Colman Domingo (46) verwies auf die Relevanz, die das Drama vor dem Hintergrund der "Black Lives Matter"-Bewegung hat. "So lange wir uns nicht mit unserer Geschichte konfrontieren, wird es keinen Frieden geben. Das ist der Grund, warum wir jetzt so viele rassische Spannungen in Amerika haben. 'Birth of a Nation' ist ein gigantisches Instrument, um zu untersuchen, wer wir sind."

Das Toronto Filmfestival läuft noch bis zum 18. September. "The Birth of a Nation" soll am 20. Jänner in die österreichischen Kinos kommen.