Der Start von Pedro Almodóvars 20. Spielfilm ist heuer im Frühjahr suboptimal verlaufen. Trotz Wettbewerbsteilnahme in Cannes. Schuld daran waren die Panama Papers. Aus denen war ersichtlich, dass der 66-jährige spanische Kultregisseur über seinen Bruder Agustin in den frühen 1990er-Jahren Vermögen in eine Steueroase verschoben hat. Die publik gewordene finanzielle Schlitzohrigkeit hatte auch Auswirkungen an der Kinokasse: „Julieta“ hatte mit knapp 80.000 Zuschauern das schlechteste Startwochenende eines Almodóvar-Films in seiner iberischen Heimat.

Short Storys

Für „Julieta“ hat Almodóvar auf drei Short Storys der kanadischen Literaturnobelpreisträgerin Alice Munro zurückgegriffen, um die Geschichte einer Frau zu erzählen, die sich über die Maßen anstrengt, die Gründe für die nicht mehr existente Beziehung zu ihrer Tochter zu verstehen. Natürlich könnte man auf den ersten Blick behaupten, Almodóvar variiert wieder einmal sein großes Thema „Alles über meine Mutter“, aber das trifft den Kern des Films nicht. Wieder zeigt er eine (starke) Frau, umgibt sie mit einer ganz speziellen ästhetischen Note bei der Kleidung und dem Wohnungsinterieur, und als zentrales filmisches Mittel kommt die Rückblende zum Einsatz.
Julieta (Emma Suárez) ist gerade dabei, mit ihrem Partner Lorenzo (Dario Grandinetti) aus Madrid nach Portugal zu übersiedeln, um ein neues Leben zu beginnen. Kurz vor der Abreise läuft ihr auf der Straße zufällig Beatriz (Michelle Jenner) über den Weg, , die Jugendfreundin ihrer Tochter Antia. Und Beatriz erzählt, sie habe Antia vor Kurzem am Comosee getroffen. Auch rein zufällig. Antia habe drei Kinder, wo sie genau wohne, wisse sie aber nicht. Sie habe nach Julieta gefragt, auch, ob diese noch in Madrid wohne.

Julieta lässt die gemeinsamen Pläne mit Lorenzo einfach sausen, zieht zurück in jenes Viertel, in dem sie nach dem Tod ihres Mannes mit Antias gelebt hat. In Rückblenden wird Julietas Leben ausgebreitet. Als junge Lehrerin (Adriana Ugarte) im Zug zieht sie sich vor einem unbekannten Mitreisenden in den Speisewagen zurück, wo sie auf den feschen Fischer Xoan (Daniel Grao) trifft. Der unbekannte Mitreisende stürzt in den Tod, wofür sich Julieta, weil sie ihn abgewiesen hat, verantwortlich fühlt, und mit Xoan beginnt sie eine Liebesbeziehung, der Antia entspringt.

Almodóvar verhandelt in raffinierter Beiläufigkeit die großen Themen wie Annäherung und Entfremdung, Nachwirken der Vergangenheit, Schuld und Strafe. Großes Kino.