Heute den Orpheus bei der Premiere singen. Und morgen die Eurydike. Das geht nur in Salzburg. Genauer: nur mit Cecilia Bartoli. Die Intendantin hatte zum bereits zwölften Mal die Hauptrolle der szenischen Produktion ihrer Pfingstfestspiele übernommen und im Haus für Mozart als Christoph Willibald Glucks Orfeo wieder berechtigten Jubel geerntet (wir berichteten).

Bei der traditionellen konzertanten Oper zu Pfingsten gab die römische Mezzosopranistin in Joseph Haydns „L’anima del filosofo“ nun also die Euridice und imponierte in dieser Opera seria nach Ovid, wegen Libretto-Schwächen als problematisch erachtet und erst 1951 in Florenz uraufgeführt, einmal mehr mit Gurgelgeläufigkeit und Pianokultur. Als sie als Orfeos Sonne bis ins stillste Diminuendo hinein endgültig erlosch, wurden zig Taschentücher in der Felsenreitschule gezückt.

Zur zweiten Königin des Nachmittags bei der 15-Uhr-Vorstellung wurde Mélissa Petit als Bote Genio: Sie fädelte Haydns Koloratur-Perlen glänzend auf und setzte sogar noch neckische Zauberflötentöne der Königin der Nacht drauf. Die 33-jährige Französin, die 2021 in Salzburg debütierte, wird man hoffentlich, nein, ganz bestimmt noch oft bei den Festspielen hören.

Auf Orfeo gebucht ist in jüngerer Zeit Rolando Villazón. Als legendärer Sänger Monteverdis in Konzerten etwa mit Christina Pluhars „L'Arpeggiata“ oder kürzlich szenisch in Nikolaus Habjans gefeierter Deutung in Dresden. Und auch der Gluck'sche Orfeo liegt dem Publikumsliebling trotz raffinierter Hürden. Keineswegs ein Haydn-Sänger ist Bariton Thomas Hampson, und doch fügte er sich als mächtiger Kreon gut in das illustre Solistenensemble.

Il Canto di Orfeo, sehr gefordert und vom Salzburger Bachchor teilverstärkt, komplettierte das Sängerfest, dem die so quicklebendigen wie stilsicheren Musiciens du Prince aus Monaco unter dem souveränen Leitung von Gianluca Capuano den roten Teppich ausrollten.