Das Linzer Lentos, mit seiner 130 Meter langen Glasfassade ein Blickfang an der Donau, gehört nicht nur zu den spektakulärsten, sondern auch zu den erfolgreichsten Kunstmuseen des Landes. "Wir haben jetzt fast wieder 50.000 Besucher im Jahr", freut sich Direktorin Hemma Schmutz nach dem mutmaßlichen Ende der "zähen Coronazeit". Seit mittlerweile sechs Jahren lenkt die aus Kärnten stammende Kunsthistorikerin die Geschicke des vor 20 Jahren eröffneten Hauses. Erst im Vorjahr wurde ihr Vertrag um eine weitere Funktionsperiode verlängert – nicht ohne Grund, denn die Bilanz der 57-Jährigen kann sich sehen lassen. Neben außergewöhnlichen Ausstellungen hatte Schmutz zuletzt auch großen Anteil daran, dass der offizielle österreichische Kunstbetrieb weiblicher und diverser wurde. Die Entsendung des queeren Duos Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl zur Kunstbiennale von Venedig wurde von ihr ebenso mitverantwortet wie die bevorstehende der russischen Wahlösterreicherin Anna Jermolaewa, heute übrigens Kunstprofessorin in Linz.

Lentos-Chefin Hemma Schmutz vor Jean Eggers Gemälde "Blühender Mandelbaum auf Mallorca" (1932/33)
Lentos-Chefin Hemma Schmutz vor Jean Eggers Gemälde "Blühender Mandelbaum auf Mallorca" (1932/33) © Hirtenfelder

Ein besonderer Coup ist der gebürtigen Klagenfurterin mit der Präsentation eines nur wenig bekannten Landsmannes gelungen: Unter dem Titel "Jean Egger. Revolutionär der modernen Malerei" läuft im Lentos seit wenigen Tagen die bislang umfangreichste Retrospektive des früh verstorbenen Zwischenkriegsmalers – mit rund 200 Originalen aus zum Teil mühevoll aufgespürten Privatsammlungen.

Raffiniert gestaltete Schau

"Egger war ein sehr gängiger Name und aufgrund seiner vielfältigen Handschrift auch nicht leicht zu erkennen", nennt Schmutz Gründe für die bisher eher bescheidene Egger-Rezeption. Dass das Lentos selbst nur ein einziges Werk des Künstlers besitzt, ist Indiz genug. 1897 in Hüttenberg als Hans Egger geboren, studierte der Sprößling einer Lehrerfamilie zunächst in München, um ab 1916 erstmals mit akademischen Porträtzeichnungen und Landschaftsbildern aufzuzeigen. In der von Klemen Breitfuss, ebenfalls ein Kärntner, mit großer Raffinesse gestalteten Schau korrespondieren diese frühen Bilder mit Zeitungsausschnitten und Fotodokumenten aus dem Leben des Kosmopoliten. Nach ausgedehnten Reisen, die ihn etwa zu Edvard Munch nach Skandinavien führten, wurde Egger ab 1924 in Paris sesshaft. Hier lernte er seine in zahlreichen Porträts verewigte Lebensgefährtin Signe Wallin, eine Schwedin, kennen und fand Zugang zu höchsten gesellschaftlichen Kreisen. Davon zeugt in der Ausstellung unter anderem ein expressives Porträt des französischen Ministerpräsidenten Paul Painlevé. "Rund 40.000 Künstler haben damals in Paris gelebt, dass er sich hier durchsetzen konnte, ist schon bemerkenswert", sagt Schmutz über den 1929 zum Officier d´Academie geadelten Maler aus der Provinz.

Zwischen Impressionismus und Informel

Doch auch in seiner Heimat wurde Egger sehr geschätzt. Dies bezeugen Porträts des später zum Nationalsozialisten mutierten Landeshauptmannes Ferdinand Kernmaier oder des Gurker Bischofs Adam Hefter. Seine eigene Heimatverbundenheit dokumentieren alpine Landschaften sowie zahlreiche Ansichten von St. Martin am Silberberg, wo seine Eltern einen Wohnsitz hatten. Die stilistische Vielfalt von Eggers Bildern reicht dabei vom Postimpressionismus über den Expressionismus bis hin zum Informel, das sich insbesondere in Aquarellen des Jahres 1926 ankündigt. Das Außergewöhnliche seiner Kunst bestehe im "Changieren zwischen Ausdruck und Innensicht, Stärke und Sensibilität, Vitalität und Melancholie", schreibt Schmutz im Vorwort zum Katalog, das sie gemeinsam mit MMKK-Chefin Christine Wetzlinger-Grundnig verfasste, in deren Museum die Ausstellung ab Juni zu sehen ist.

Selbstporträt des Künstlers von 1927 und Bildnis seiner Lebensgefährtin Signe Wallis
Selbstporträt des Künstlers von 1927 und Bildnis seiner Lebensgefährtin Signe Wallis © Hirtenfelder

Jean Egger sei jedenfalls "nicht der typisch verarmte Künstler" gewesen, sondern habe seinen eigenen Wert sehr wohl gekannt, meint Schmutz. 1932 kaufte er ein Haus auf Mallorca, um hier im engen Austausch mit Joan Miró eine zunehmend freie Pinselführung zu praktizieren. Seine Hoffnung, sich auf der Mittelmeerinsel von seinem Lungenleiden zu erholen, blieb leider unerfüllt. 1934 trat er seine letzte Reise an und starb mit nur 37 Jahren kurz nach seiner Heimkehr nach Klagenfurt.
Dass Jean Egger zu den ganz großen Künstlern der Zwischenkriegszeit gehörte, wird auch in der Dauerausstellung des Lentos evident  – und zwar im direkten Vergleich mit erstklassigen Gemälden von Oskar Kokoschka, Herbert Boeckl oder Anton Kolig.

Ansichten des heimatlichen St. Martin am Silberberg
Ansichten des heimatlichen St. Martin am Silberberg © Hirtenfelder