Ich habe immer sehr schwer und langsam geschrieben. Ich habe die Worte nicht vorher niedergeschrieben, bevor ich sie nicht durchschauen konnte, aber wenn ich sie geschrieben hatte, so durften sie nicht mehr geändert werden“, verriet Dolores Viesèr in einem Gespräch 1992. Und so war es auch: Am Roman "Hemma von Gurk" feilte sie sechs, an "Aelia" vier Jahre.
Zu diesen bekannten Hauptwerken gesellen sich noch weitere Romane und Erzählungen, die bis heute Bestand haben. Nach ihren Büchern muss man nicht nur in Antiquariaten stöbern. Dem Hermagoras Verlag in Klagenfurt ist es zu verdanken, dass einige Neuauflagen das reiche Schaffen der Autorin, deren Todestag sich am morgigen 24. Dezember zum 20. Mal jährt, nicht in Vergessenheit geraten lassen. "Sie war ja zu Lebzeiten schon keine Unbekannte. Und als Kärntner Verlag ist es uns ein Anliegen, die Erinnerung an Kärntner Autorinnen und Autoren zu bewahren", sagt Roman Till vom Hermagoras Verlag. Dort sind "Das Singerlein", ein Band mit drei bedeutenden Novellen sowie die Erzählungen "Der Bänderhut" und "Katzen in Venedig" erschienen.
Dolores Viesèr wurde am 18. September 1904 in Hüttenberg als Maria Dolores Wilhelmine Wieser geboren. Der Vater Johann Wieser war Uhrmacher und Juwelier. Er starb bereits 1914. Zwei Jahre danach verlor Dolores Viesèr auch die Mutter. Das Mädchen stand mit den beiden Brüdern Hans und Franz in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und in Folge der Inflation vor dem Nichts. "Es waren schreckliche Notzeiten. Wir mussten von Hüttenberg weg", erzählte sie 1984. Bis 1921 arbeitete Viesèr im Verlag der Josefbruderschaft, aus welcher der Carinthia Verlag und die Kleine Zeitung hervorgingen, in Klagenfurt. Eine Tuberkulose fesselte sie monatelang ans Krankenbett. Danach ging sie nach Tirol, wurde in einer Pension, welche als christliches Exerzitienheim geführt wurde, so etwas wie ein "Mädchen für alles" – und entdeckte das Schreiben.
Aus Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen
Zwischen 1922 und 1926 entstand "Das Singerlein", ein Buch, das im 18. Jahrhundert angesiedelt ist und das Los eines Waisenknaben schildert. Auf Anraten ihres Verlegers wählte sie den Autorennamen Viesèr und wurde als damals jüngste Romanschriftstellerin im deutschsprachigen Raum schlagartig bekannt. Auch weitere Werke brachten Ruhm und Einkünfte. Zurück in Kärnten, wo sie dank der Honorare mit den Brüdern in Klagenfurt ein Haus erwerben konnte, blieb sie dem Schreiben auch nach der Eheschließung mit Otto Aichbichler und der Geburt dreier Kinder treu. Mit dem Publizieren musste sie allerdings, von den Nazis 1938 kurz nach dem Erscheinen der "Hemma von Gurk" aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen und mit einem offiziellen Schreibverbot belegt, warten. Ab 1952 konnte sie mit "Aelia" aber rasch an die früheren Erfolge anschließen.
Viesèr war eng dem katholischen Glauben verbunden, doch gleichzeitig eine Frau, die nie "vergeistigt" war, sondern mit beiden Beinen im realen Leben stand. Auch schwere Schicksalsschläge wusste sie zu meistern wie den Tod ihres ältesten Sohnes, der 1953 auf einer Skitour unter eine Lawine geriet und tödlich verunglückte. Die Novelle "Kleiner Bruder" erzählt davon.
Und immer wieder stellte Viesèr Frauen in den Mittelpunkt ihres Schaffens, seelenvolle, empathische, starke und selbstbestimmte Geschöpfe. Viesèr schuf Gleichnisse über das Leben, die bis heute nichts an Gültigkeit verloren haben. Sie liegt am Friedhof St. Martin in Klagenfurt begraben. Ihr Werk lebt weiter.
Ulrike Greiner