Dass der international gefeierte Kärntner Pianist Ingolf Wunder einen sommerlichen Zwischenstopp im Lavanttal einlegt, ist einer nostalgischen Erinnerung zu verdanken: „Ich habe eines meiner ersten Konzerte in St. Paul gespielt, das muss rund 20 Jahre her sein!“ Wenn er am Freitag Werke von Liszt, Chopin und einige Eigenkompositionen spielen wird, ist der 36-Jährige gerade zurück von Auftritten in der Türkei und in Warschau, danach geht es heim nach Zürich, wo er seit elf Jahren seinen Lebensmittelpunkt hat. In der Schweiz ist auch das zweite Standbein des Künstlers verankert, das Software-Unternehmen, das er mit seiner Frau Paulina vor wenigen Jahren gegründet hat.
Computertechnologie habe ihn immer schon interessiert, meint er im Gespräch, doch „die Software ist nicht der Software wegen wichtig für mich, sondern um die Qualität der musikalischen Bildung zu verbessern!“ Wunder will nichts weniger als Technologie nützen, um die Musikalität der Menschen zu fördern. Das ist seine Mission, die er auch leidenschaftlich in Vorträgen vertritt. Denn die Qualität der Musikausbildung nehme seit Jahrzehnten ab: „Ich habe in rund 50 Ländern konzertiert. Und alle haben große Probleme mit der musikalischen Bildung“, stellt er fest. In Schulen werde der Musikunterricht stellenweise komplett gestrichen: „Wenn man nicht in der Kindheit vermittelt bekommt, was qualitative Musik ist, gehen Generationen verloren“, warnt er und: „Musikerziehung ist wichtig für die Bildung des Gehirns!“
„Wenn wir nichts tun, sind wir auch schuldig“, sagt er, spricht von „Musik ohne Musikalität“ - und entwickelte mit seiner Frau „noch vor Covid“ eine App für hochwertigen musikalischen Fernunterricht, bei dem besonderer Wert auf die Audio-Qualität gelegt wird. Mittlerweile ist die Plattform „appassimo.com“ nicht nur an der Universität der Künste Berlin, der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, der Kunst-Uni Graz und der Anton Bruckner Privatuniversität im Einsatz, sondern auch an der Gustav Mahler Privatuniversität für Musik in Klagenfurt.
„Wir sind eine Software-Firma, die eigentlich eine Musikfirma ist“, erläutert der technik-affine Künstler, der mit dieser App „Super-Pianisten und tolle Lehrer, die oft nicht am gleichen Ort sein können“ zusammenbringt. Die Sache läuft. Und die nächsten Ideen sind schon in den Startlöchern, so etwa ein Projekt, das die CD- und Aufnahmeindustrie erneuern soll: „Die CD ist gestorben, Streaming funktioniert nicht mehr“.
„Gutes Zeitmanagement ist nötig“, lacht Ingolf Wunder, angesprochen auf seine Vielseitigkeit. „Das einzige Problem ist, dass ich nicht oft genug nach Kärnten komme. Nur ein bis zwei Mal pro Jahr, aber das muss sein!“ Gut, dass es mit seinem Konzert morgen wieder einmal soweit ist.
Karin Waldner-Petutschnig