Beinahe wäre ich gestern früh auf der Kreuzung Pernhartgasse – Doktor-Herrmann-Gasse mitten am rot markierten Radweg von einem rechtsabbiegenden Stadtwerke-Omnibus überfahren worden. Das wäre wieder einmal typisch gewesen! Stadtwerkebus überfährt Schriftsteller! So wie Gaudí in Barcelona von der Tramway. In dem Fall wären zehntausend Leute zu meiner Beerdigung gekommen und die Stadt hätte sich für immer und ewig genieren müssen.
Der Busfahrer, der arme Kerl, der mich ja nicht absichtlich überfahren hat, noch dazu vor den Augen meiner entsetzten Frau und hinter dem Rücken meiner nichts ahnenden Kinder, hätte nicht nur paralysiert und unter Schock ins Nichts starrend „die Hilfe des Kriseninterventionsteams des Roten Kreuzes in Anspruch nehmen“ müssen, sondern eine Therapie gebraucht, ähnlich den ÖBB-Lokführern nach „Personenschäden im Gleis“ – verschärft dadurch, dass nicht ich, sondern er mich umgebracht hatte. Und welchen Erfolg sollte so eine Therapie haben? Würde ich auferstehen? Na ja, literarisch halt. Auch schon was! Aber letztlich war der Busfahrer ein kleines Rädchen, kleiner als das Rad, das mich zerquetscht hat … Auf einen Rechtsstreit ließ ich mich jetzt nicht mehr ein: sinnlos.
Und die Leute hätten etwas zu reden gehabt: „So schnell kann es gehen…“ – „Ich habe ihn gerade erst gesehen, als er…“ – „Die Lücke/Die Fußstapfen, die der weit über die Grenzen seiner Stadt hinaus bekannte blablabla…“ „Glaubst du, dass er sich die Haare färben lassen hat? Ich meine, in dem Alter noch so schöne… aber dafür schon seit einem Vierteljahrhundert eine Zahnprothese… ja, man kann es sich nicht aussuchen. Schicksal!“
Der Gemeinderat wäre zu einer Krisensitzung zusammengetreten und hätte bezüglich des weiteren Ausbaus und Sicherung des Radwegs a) eine Evaluierung, b) eine Sondierung, c) einen Masterplan angeregt (koordiniert wurde das Projekt vom städtischen Projektkoordinator). Eine Fraktion brachte die Idee eines Interimsdenkmals mit Info-Tafel aufs Tapet, was aber von allen anderen Fraktionen verworfen wurde. Der Antrag auf Umbenennung der tödlichen Kreuzung konnte aus formalrechtlichen Gründen nicht … Der Kärntner Schriftstellerverband betonte in einer Aussendung, ich sei kein Mitglied gewesen. Das Musil-Institut war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Die Beisetzung fand schließlich in aller Stille statt. Konrad Paul Liessmann hat schon recht: Wer (was) nicht ins Bild passt, wird einfach gecancelt …