Blöd gelaufen: Da macht sich Boris „die Mühe“ seine heimliche Geliebte Andrea zum Essen auszuführen (und nicht bloß „zu vögeln“) und die zickt, nur weil das Restaurant eine Empfehlung seiner Frau Patricia ist. Die Stimmung ist schon im Keller, bevor Boris beim Reversieren eine alte Dame umstößt: Yvonne ist ebenfalls zum Essen eingeladen – von ihrem Sohn Eric und Schwiegertochter Françoise, der besten Freundin von Boris’ Frau, dessen Seitensprung somit aufliegt. Eigentlich eine Steilvorlage für Yasmina Reza („Kunst“; „Der Gott des Gemetzels“), die ihre Figuren immer wunderbar gegen ihren Willen entgleisen lässt, sobald die bürgerliche Fassade einen kleinen Riss bekommt.
Hosen runter
Die französische Erfolgsautorin hat „Bella Figura“ für Thomas Ostermeier, den Chef der Berliner Schaubühne, geschrieben. Schon die Uraufführung 2015 ging ordentlich in die Hose, die Boris (Glenn Goltz als überforderter Geschäftsmann) auch in Klagenfurt runterlässt – eine Szene spielt auf der Toilette. Die österreichische Erstaufführung im Wiener Akademietheater blieb trotz Edelbesetzung (u. a. Caroline Petters, Joachim Meyerhoff, Kirsten Dene) dünnsuppig. Zu säuerlich der Humor. Und wenn Stillstand im Beziehungsgeflecht, dann von Tschechow ...
Im Stadttheater Klagenfurt mühen sich die Schauspieler redlich Haltung (italienisch: „bella figura“) zu bewahren, werden daran aber von der Regie nach Kräften behindert. Am besten schlägt sich Gertrud Roll, die als verwirrte Yvonne die geistvollsten Sätze hat. Sie beschäftigt die Apothekerhelferin Andrea (leicht überspannt Katja Kolm) mit der richtigen Dosierung ihrer Medikamente, giftet die hysterische Schwiegertochter (Valerie Koch) an und lässt Sohn Eric (Oliver Möller) zappeln.
Überladen
Das Absurd-Peinliche der Situation hat Regisseur Robert Gerloff in ein überdekoriertes Tiki-Restaurant (Bühne: Maximilian Lindner) ausgelagert, wo er den Abend in Lokalkolorit ertränkt. Ärgerlich. Das beginnt beim (1991 wie heute deplatzierten) Sager von der „ordentlichen Beschäftigungspolitik“, dem „Job bei Glock“ und dem „Pyramidenkogel“ und hört beim „Schloss am Wörthersee“ und „Wolfsberg, mein Freund Martin ist dort geboren“ noch nicht auf. Dass Boris mit der Produktion von „Verandas“ (statt Veranden) pleite geht, ist folgerichtig.
In dem knallbunten Lokal am „Ende der Welt“ (Kärnten?) sorgt ein Trio in GI-Unform (Fabian Mang, Stefan Delorezzo, Philpp Bindreiter) für musikalischen Witz, Barkeeper und Kellner vergammeln aber als Staffage und eine undefinierte stumme Gesellschaft gibt am Nebentisch per Handzeichen Kommentare ab. „Dieser Laden hier hat den Charme einer Villacher Faschingssitzung“, heißt es treffend. Nur: Braucht man das im Theater?
Fazit: „Echt zache“ neunzig Minuten. Aber für 21. 15 Uhr kann man einen Tisch in einem Restaurant bestellen. Muss ja nicht am Ende der Welt sein.
Von Uschi Loigge