Das Gesicht der 82-jährigen Schauspielerin, die ab Donnerstag am Stadttheater Klagenfurt zu sehen sein wird, ist ausdrucksstark und strahlend. Es sei zeit ihres Lebens die Neugier gewesen, die sie so jung gehalten habe, denn „wenn man nicht mehr neugierig ist, wird man apathisch“. Für ihre Rolle als Gräfin in Peter Turrinis „Bei Einbruch der Dunkelheit“ im Stadttheater erhielt Gertrud Roll 2006 den Schauspielpreis Nestroy als beste Darstellerin einer Nebenrolle. Neben Engagements an der Josefstadt und im Volkstheater hält sie jene an Hans Gratzers legendärem Wiener Schauspielhaus für ihre spannendste Theaterzeit. TV-Zuseher kennen Roll als resolute Mutter von Weichei Juergen Maurer in der ORF-Serie „Die Vorstadtweiber“.
„Meine Rolle ist natürlich die Alte“, schmunzelt sie selbstironisch, als sie über ihre Figur in Yasmina Rezas Komödie „Bella Figura“ spricht. Zweimal schon wollte sie Intendant Florian Scholz wieder nach Klagenfurt holen, jetzt, im dritten Anlauf, klappte es. Im Stück der französischen Erfolgsautorin ist Roll Yvonne, die mit ihrem Sohn und dessen Freundin ihren Geburtstag in einem Restaurant feiern will und unfreiwillig Boris in die Bredouille bringt, der sie auf dem Parkplatz vor dem Lokal beinahe umfährt. Dessen geplantes Tête-à-Tête mit seiner Geliebten wird zum Gaudium des Publikums zum Fiasko. „Ich spiele sehr gerne Komödien“, meint Roll. „Aber es ist eine schwere Kunst, bei aller Leichtigkeit ernsthaft zu sein!“ Obwohl die gebürtige Deutsche tagelang durch eine Bronchitis ruhiggestellt war, sieht sie der Premiere gelassen entgegen. Gut aufgehoben fühlt sie sich im Team; Regisseur Robert Gerloff, der seinen Einstand in Klagenfurt gibt, hält Roll für „cool“, und von übertriebenem Lampenfieber war sie sowieso „nie gebeutelt“.
Gerne spaziert die sportliche zweifache Mutter und Großmutter durch Ingeborg Bachmanns Henselstraße und den Lendkanal entlang Richtung See, in dem sie bei ihrem letzten Aufenthalt noch mit dem damaligen Stadttheater-Intendanten Dietmar Pflegerl schwimmen war. Ihren beiden Enkelsöhnen hat sie, die in jeder Stadt, in die sie gekommen ist, „auf dem Fußballplatz war“, Fußballspielen beigebracht.
Die Sprachgiganten Bachmann (in einer Malina-Adaption stand Gertrud Roll in Graz auf der Bühne), Elfriede Jelinek (deren „Krankheit oder Moderne Frauen“ sie am Wiener Volkstheater spielte) und Thomas Bernhard (bei dem sie bedauert, ihn nie gespielt zu haben) sind Gertrud Rolls österreichische Lieblingsautoren. Neu hinzugekommen ist Christine Lavant: „Ihr ,Wechselbälgchen‘, das hat mich gepackt! Diese Lavant ist eine Entdeckung für mich!“
Zu Hause ist Roll nach Jahren der Wanderschaft wieder in Wien – in Döbling, dem „Tussi-Bezirk“ (Roll), in dem auch die Vorstadtweiber spielen. „Wien ist ja viel jünger geworden, lebendiger, eine Traumstadt“, schwärmt die Schauspielerin, die als Kind fünf Jahre im Elsass aufgewachsen ist. Auch wenn sie zugibt, am Anfang Probleme mit der Mentalität gehabt zu haben: „In Deutschland heißt es: ,Gut, das machen wir‘, in Wien sagt man: ,Schau ma amal.‘“ Und schon wirft sie sich ihren Schal über die Schulter und flötet in Richtung Fotograf: „Soll ich wieder ein Gesicht machen? Ich kann ja auch ein bissl madamig schauen!“