Eigentlich hat er die letzten Wochen wie besessen geprobt, mit einem 19-köpfigen Schauspiel- und Musikerensemble, für die letzte Schauspielhaus-Premiere der Ära Iris Laufenberg: „Das Ende vom Lied“ heißt die Produktion, die heute Premiere hat. Zum UNESCO-Jazz Day ging sich im Grazer Stockwerk letzten Sonntag aber noch ein fulminantes Live-Set mit Vesna Petkovic und Werner Radzik aus. Und mittendrin, Ende April, eine akute Blinddarm-Operation, „in der einzigen Woche, die während der Proben überhaupt dafür in Frage kam“, sagt Sandy Lopicic. Da bewies der Grazer Musiker und Regisseur also perfektes Timing.

Das braucht man auch für den „rauschenden Abgesang“ auf die letzten acht Jahre, den das Haus mit dieser Produktion verspricht. Intendanz und Ensemble nehmen Abschied von der Stadt und ihrem Publikum, bis Mitte Juni steht „Das Ende vom Lied“ gleich 13-mal auf dem Programm. Auch ein Vertrauensbeweis für den Regisseur, der dem Theater einige seiner größten Renner beschert hat. Mit „Trümmerfrauen, Bombenstimmung“ in Laufenbergs erster Spielzeit etwa, zuletzt mit der Revue „Ois Offn!“, die die Pandemie und ihre Folgen musikalisch abschritt. Für „Das Ende vom Lied“ arbeitet der Regisseur erstmals mit der Autorin Hannah Zufall und wie immer mit seiner Lieblings-Bühnenbildnerin Vibeke Andersen. Typisch: Der Abend kommt ohne linearen Handlungsbogen aus, Lopicics Inszenierungen eröffnen stets Assoziationsräume, in denen das Publikum jene Geschichten findet, die es sehen will und kann.

Da löst sich was auf

Diesfalls wird auf dem Gelände einer alten Villa ein Abschied mitzuerleben sein – möglicherweise eine Bestattung, eventuell schlicht ein Akt der Entrümpelung. Klar ist nur: Da löst sich was auf. „Je uneindeutiger das ist, desto mehr Interpretationsspielraum bleibt den Zuschauern“, sagt Lopicic. Eines aber steht außer Frage: Musikalisch werden die 19 es krachen lassen. Mit Songs von Hildegard Knef bis Pink Floyd, vom steirischen Jodler bis zum Balkan-Kracher, vom Queen-Hadern im Rachmaninow-Style bis zur Milva-Ballade im Tangorhytmus. Das soll auch die besondere Stimmung im Haus wiedergeben.

Aufbruch ist angesagt, einige Ensemblemitglieder gehen mit Laufenberg ans Deutsche Theater nach Berlin, wenige bleiben am Haus, manche sind noch auf der Suche nach neuen Engagements. Einige sind gar schon weg: Henriette Blumenau, Beatrix Doderer, Margarete Tiesel, Raphael Muff etwa mussten aus den Proben aussteigen; die Verfassung der anderen liegt je nach individueller Situation zwischen Euphorie und Schwermut: „Die Emotionen waren intensiver als bei früheren Arbeiten. Die einen können den Neustart kaum erwarten, die anderen möchten am liebsten die Zeit anhalten“, schildert Lopicic. Auch auf diese unterschiedlichen Stimmungslagen will „Das Ende vom Lied“ reagieren; vielleicht braucht das also genau einen Regisseur, der seine Projekte „immer aus dem Bauch heraus“ baut. Und der sein Ensemble dazu bringen will, „Persönliches preiszugeben. Aber nicht Privates“.

Aufbruch in neue Kunstgefilde

Große Gefühle sind angebracht, emotional wird das also auf jeden Fall. Auch für Lopicic selbst. Nach der „wahnsinnig schönen Zeit“ der letzten acht Jahre zieht es ihn in andere Kunstgefilde: Immer öfter wird er als Filmschauspieler angefragt und hat Lust, „zu schauen, ob das mit der Dreherei eine Zukunft hat.“ Graz bleibt er aber erhalten: nicht nur als Uni-Lektor für Theatermusik. Er freut sich darauf „wieder mehr Zeit zum Musik machen, Komponieren und Arrangieren zu haben“. Und eventuell zum Drehbuchschreiben. Autor war der Musiker, Regisseur und Filmschauspieler bisher ja noch nicht.