Eine Tour zum 50-Jahr-Jubiläum, was ist da zu erwarten? Wolfgang Ambros lässt keine Zweifel offen: "Lieder aus allen Epochen", kündigt er Sonntagabend in der Grazer Stadthalle vor 1200 Fans an. Nachsatz: "Aber oid san sie alle schon." Wer will da schon widersprechen: Der Opener "Verwahrlost, aber frei" stammt aus dem Jahr 1996 und zählt zu den jüngsten Songs des Abends. Von hier aus geht’s die Jahresleiter runter: Der nächste Song auf der Setlist ist "I drah zua" von 1973. Wobei die Titel-Aussage faktisch falsch ist: Denn Ambros dreht auf. Der Miterfinder des Austropop hat sich nicht einmal von einem Wirbelsäulenleiden nicht von dieser Tour abhalten lassen, an einen Barstuhl gelehnt und unterstützt von der "Nr. 1 vom Wienerwald", die noch immer tüchtig Krach machen kann, arbeitet er sich mit Gusto durch seinen eigenen Kanon.
Anfangs, bei Evergreens wie "Hoit, do is a Spoit" oder "Du verstehst mi net" in behäbigem Schunkeltempo; in das aber schleicht sich spätestens bei den "L’Amourhatschern", von denen Ambros reichlich im Gepäck hat, eine andere, melancholischere Note ein; die Stimme klingt ohnehin wie mit der Drahtbürste gereinigt und mit dem Sandstrahler nachbehandelt, schwingt sich aber ein paarmal unverhofft in ziemlich lichte Höhen: "Bleib bei mir", "Bettina", "Von Liebe ka Spur" sind mit Wehmut grundiert, nur durch "Du bist wia die Wintersunn" marschieren Sänger und Band eher lustlos durch.
Ansonsten: viele Ambros-Hymnen, von "A Mensch mecht i bleibn" und der "Kinettn" bis "Gezeichnet fürs Leben", einige knackige Rocknummern wie ein Cover von Dylans "Love Minus Zero/No Limit" und schöne Hommagen an verstorbene Weggefährten: Georg Danzers "Jö schau", Willi Resetarits "Feuer" reißen das ohnehin bei jedem Song durchwegs textsichere Publikum endgültig von den Sitzen. Mitsing-Glück, bis hin zum "Hofa" zur "Blume aus dem Gemeindebau", zum "Zentralfriedhof" und "Schifoan". Das rockt noch, auch Ambros scheint das so zu sehen: "Wir kommen wieder, danke!" sagt er am Schluss. Und: "Es is no net vorbei!" Der Satz hat zumindest an diesem Abend auch für den guten alten Austropop Gültigkeit.
Ute Baumhackl