Das fängt ja gut an: Das Bernhardsche Personal, vom General bis zum Holzknecht steht als eingefrorenes Bild im Nebel, ehe sich die Figuren ruckartig wie Marionetten zu bewegen beginnen. Im nächsten Augenblick sieht man Rot. Auf der Bühne steht ein überdimensionales Puppenhaus, der Salon in der Mitte ist rot möbliert, die  Kostüme sind ebenfalls rot und wären auch auf einem Barockfest ein Renner. Zu beiden Seiten des Salons befindet sich je ein Kabinett im Parterre mit einem Schaukelpferd und einer Flinte an der Wand, die Kabinette im oberen Stock sind mit Badewanne sowie Küchentisch samt Messerblock definiert. Ein Jagdhaus, inmitten eines riesigen Waldes, dessen gesamter Baumbestand vom Borkenkäfer befallen ist. 

Den sterbenden Wald und die Tatsache, dass der General an Grauem Star leidet und auch sterbenskrank  ist, will die Generalin vor ihrem Mann verbergen. Der zur Unterhaltung eingeladene Schriftsteller fungiert als alter ego von Thomas Bernhard - er sagt also die Wahrheit, während sich der Rest der Gesellschaft in Täuschung und Vertuschung übt. 

Märchen- und Horrormotive

Das geht gut: Regisseurin Lucia Bihler drückt wiederholt mitten im Gespräch  - im Gegensatz zu anderen Bernhard-Stücken gibt es keine langen Monologe -  die Stopptaste und haucht dem Jagdhaus ein fantastisches Eigenleben ein. Sie verwendet Märchen- wie Horror-Motive (die sind sich ja mitunter sehr ähnlich) und zieht zu Bernhards exakter Sprache und das unermüdliche Untergangsszenario eine erschreckend komische  zweite Ebene. Witzig und gruselig zugleich hört man die Schritte des Dieners Asamer, der daherkommt wie Edward mit den Scherenhänden; die Köchin  mit Augenklappe könnte weiß Gott was durch den Fleischwolf jagen; die Generalin wippt im Sessel auf und nieder, worauf sich knarzend ein Schaukelpferd mitbewegt; wird ein Stück Holz gespalten, fährt eine andere Energie wie ein Blitz in das Haus und in die Gesellschaft. Vom Borkenkäfer und vom Grauen Star ist die Rede, zwei echte Kaninchen sind die einzigen beiden mit einer weißen Weste. Bevor sich der General erschießt, greift ein Riesenkaninchen zum Gewehr.

Da gibt es so viel zu sehen, dass der irgendwie zu Bernhard gehörende heilige Zorn nicht aufkommt. Auch gut. 

Gespielt wird großartig: Markus Scheumann gibt den Schriftsteller als präzise formulierenden Haudegen, Maria Happel gefällt als  Generalin, Jan Bülow als undurchschaubarer Diener Asamer, Martin Schwab ist ein General, der um seine Wichtigkeit weiß und ziemlich bald auch, dass er von allen belogen wird. „Vielleicht, werter Herr Schriftsteller, gehen Sie deshalb ins Theater, weil es Ihnen widerwärtig ist“, überlegt der General. Damit liegt er im konkreten Fall daneben. Heftiger Applaus nach zwei pausenlosen Stunden und extra Bravos für Regie, Bühne (Pia Maria Mackert), Kostüme (Laura Kirst), Choreografie (Paulina Alpen) und Sound (Jörg Gollasch).