Eigentlich hätte das Galakonzert der Salzburger Pfingstfestspiele nicht "Farinelli & Friends" heißen können, sondern "Farinelli & Enemies". Zumindest erklangen am Samstag im Großen Festspielhaus nicht nur Arien, die für den legendären Kastraten geschrieben wurden, sondern auch jene von ihm weniger geneigter Komponisten, allen voran Händel. Sei's drum, eine Legende steht nun einmal im Mittelpunkt.

Organisiert hat den dreieinhalbstündigen, stargespickten Abend Hausherrin Cecilia Bartoli, die gerade ihren Vertrag als künstlerische Leiterin der Pfingstfestspiele bis 2026 verlängert hat. Es wurde letztlich ein Schaulaufen für die Varianten, mit denen heute die Kunst der Kastraten interpretiert wird. Von der Mezzowucht einer Ann Hallenberg über den Zwitschersopran einer Lea Desandre bis zum glasklaren, wie auf Schiene laufenden Sopran von Social-Media-Avantgardistin Julie Fuchs. Oder in der Countervariante vom metallisch-engen, technisch perfekten Timbre eines Christophe Dumaux bis zum lyrisch-feinziselierten eines Philippe Jarousskys.

Abseits des Fächers an verschiedensten Stimmfarben offenbarte sich auch die mannigfaltige Herangehensweise an die Kastratenwelt durch die unterschiedlichen Sängercharaktere. Bartoli trägt ihren Harnisch, den sie bereits für ihr Projekt "Sacrificio" wählte, Dumaux offenes Hemd mit Kettchen, Jaroussky Smoking mit Kummerbund und Patricia Petibon weißes Abendkleid.

Und doch bleibt selbstredend alles ein wunderschönes Kreisen um eine Leerstelle. Das Erlebnis eines der legendären Kastraten mit ihren ausgewachsenen Männerkörpern und der in kindlicher Dimension gebliebenen Stimmritze, was einen schier unendlichen Atem und entsprechende Phrasen ermöglichte, bleibt heutigen Ohren verwehrt. Schließlich wäre unsere Zeit auch nicht bereit, die über Jahrhunderte geübte Praxis der abendländischen Musiktradition fortzusetzen, Tausende Buben vor der Pubertät zu kastrieren in der Hoffnung, im Falle ihres Überlebens eventuell einen großen Sänger aus ihnen machen zu können.

So bleibt die letztlich erst Anfang des 20. Jahrhunderts gänzlich auslaufende Epoche der Kastraten immer auch ein wenig ambivalent, werden die im wahrsten Sinne des Wortes halsbrecherischen Arien, die einst ein Farinelli oder Senesino bewältigte, doch heute noch bejubelt. Andererseits steht hinter dieser himmlischen Musik auch höllisches Leid. "Es hat uns wunderbare Musik gebracht, ist menschlich und moralisch aber doch sehr fragwürdig", fasste Rolando Villazon als Conferencier der Gala das Dilemma zusammen.

Im kommenden Jahr lassen die Pfingstfestspiele dann den Barock hinter sich und widmen sich von 29. Mai bis 1. Juni der Sängerin, Pianistin und Komponistin Pauline Viardot-Garcia (1821-1910). Die zentrale Oper des Festivals wird Gaetano Donizettis "Don Pasquale" sein, bei der Intendantin Bartoli ihr Debüt als Norina geben wird. Die Regie besorgen Moshe Leiser und Patrice Caurier, während mit den Musiciens du Prince Monaco unter Gianluca Capuano das von Bartoli gegründete und auch den heutigen Farinelli-Abend bestreitende Orchester spielen wird. Ansonsten versammelt man unter dem Motto "La couleur du temps - Die Farbe der Zeit" Berlioz' Ballettoper "Orphee", das Arienkonzert "Ecole classique", ein Requiem von Gabriel Faure oder das Festkonzert "Une affaire de famille".

(S E R V I C E - www.salzburgerfestspiele.at/p/galakonzert-farinelli-and-friends)