Das sächsische Opernhaus Chemnitz hat eine bewegte Vergangenheit. Es wurde 1909 eingeweiht. Einer seiner ersten Intendanten war Anton Richard Tauber. der das Haus 1912 übernahm. Dessen Sohn Richard, später weltberühmter Tenor, sang hier schon 1913 den Tamino in Mozarts „Zauberflöte“.

1945 ausgebrannt, wurde das Haus mit erhaltener neobarocken Fassade wieder aufgebaut, 1988 wegen Baufälligkeit geschlossenen und 1992 mit einem spektakulären „Parsifal“ wiedereröffnet. Die beiden Ränge fassen 700 Personen, heute liegt die Auslastung des Dreispartenhauses bei 75 %. Der in Graz gut bekannte Dirigent Niksa Bareza war hier von 2001-2007 Generalmusikdirektor.

Nicht umsonst heißt das vis-à-vis des großen Platzes vor der Oper gelegene Café und Restaurant „Mozart“, zählt doch gerade die „Zauberflöte“ zu den erklärten Lieblingsopern des Chemnitzer Publikums. Der schillernde Mehrfachbezug von Mozarts letzter Oper stellt jeden Regisseur vor die nicht geringe Herausforderung, Einfaches mit Komplexem plausibel zusammenzuschweißen. Ingmar Bergmann als berühmtes Beispiel erzählte seine „Trollflöjten“ als nordisches Märchen mit Elfen und Geistern.

Regisseur und Theaterintendant Michael Schilhan (55)
Regisseur und Theaterintendant Michael Schilhan (55) © Jürgen Fuchs


Michael Schilhan ist ja seit 2004 Intendant des Next Liberty. Sprech- und speziell Jugendtheater sind sein Metier. Der 55-Jährige macht aber gern auch Seitensprünge zum Musiktheater. So inszenierte er etwa für das Haydn-Festival die „Armida“, für das Festspielhaus St. Pölten „Satyagraha“ von Philip Glass oder natürlich gleich nebenan in der Oper zuletzt 2012 den „Walzertraum“ von Oscar Straus und immer wieder Familienmusicals, aktuell „Wie William Shakespeare wurde“ von Marc Schubring (nächster Termin: 13. Februar).

In den letzten Wochen war Schilhan aber im „Außendienst“: Eben im Theater Chemnitz, wo ihm schon 2017 mit Schubrings „Emil und die Detektive“ ein schöner Erfolg gelungen war. Nun versprach der Grazer Gastregisseur, Mozarts „Zauberflöte“ unterhaltsam und poetisch als heutiges Märchen zu erzählen. Versprochen, gehalten: Seine Neuinszenierung fand bei der Premiere im sächsischen Mehrspartenhaus jedenfalls begeisterte Zustimmung.

Michael Schilhans Zugang zu diesem Werk ist ein sehr persönlicher. Der Grazer erstellte vorab einmal ein umfangreiches „Regiebuch“, das für alle Mitwirkenden auflag. Auch für ihn selbst: „Nichts ist mir unangenehmer, als wenn ein Regisseur nicht mehr so genau weiß, was er gestern oder vorgestern gedacht oder getan hat. Zwar ist bei mir jedes Detail, und sei es scheinbar noch so unwesentlich, festgehalten und falls nötig auch psychologisch begründet, doch ist es mir dabei immer wichtig, gleichzeitig auch situationsbedingt mit dem Team zu interagieren.“

Sich engagiert an die Vorgaben des Komponisten haltend, entwickelt Schilhan buntes spielerisches Geschehen: So begegnet Tamino den drei Damen nach einem Autounfall. Und Papageno wird tatsächlich zum tollpatschigen „Halbvogel“, während die Königin der Nacht – hervorragend die aus Tirol stammende Vanessa Waldhart – als grausame Furie wütet.

Ausstatterin Alexia Redl sowie Choreograf Benjamin Rufin folgten Schilhans Überlegungen mit einer weitflächigen, einen Konnex zum Heute schaffenden Variation an Bildern und Piktogrammen. Von oft unerwartet humorvollen Einfällen getragen, reflektiert die optische Realisierung Übereinstimmung mit der Leichtigkeit der Mozart'schen Tonsprache.

Die unter dem jungen Dirigenten Jakob Brenner umsichtig und präzise musizierende Robert-Schumann-Philharmonie bildet zusammen mit den vorzüglich agierenden Chören das musikalische Fundament dieser „Zauberflöte“. Überaus herzlicher Zuspruch nach der Premiere – und für Michael Schilhan die Einladung zu weiterer Tätigkeit an der Oper Chemnitz.

Weitere Aufführungen: 8.2., 8.3., 24.3., 7.4., 12.5., 23.5., 28.5. www.theater-chemnitz.de