Die Festivalmitarbeiter, die Tischnachbarn im "Triangel". Sogar der Friseur in der Nähe der Landesregierung: Alle sind sie offenhörlich glücklich mit dem neuen Intendanten Markus Hinterhäuser, ihrem Lokalmatador. Erwartungsvolle Aufbruchstimmung überall.
Und die Erwartungen haben sich mit dem Start der Festspiele schon erfüllt, speziell mit dem Beginn der Opernpremieren. Am Mittwoch brachte John Eliot Gardiner Claudio Monteverdis "L'Orfeo" klangschön in die Felsenreitschule. Am Donnerstag begeisterten US-Regiestar Peter Sellars und Teodor Currentzis, das Enfant terrible am Pult, mit ihrer spirituellen Deutung von Mozarts "La clemenza di Tito", die auch von der halben Bundesregierung um Alexander Van der Bellen und den deutschen Ex-Präsidenten Joachim Gauck umjubelt wurde, detto von einer Entourage aus Medienleuten und "Schlachtenbummlern" des im zentralrussischen Perm tätigen Dirigenten.
Und Freitagabend nun "Il ritorno d'Ulisse in patria". Samt "L'incoronazione di Poppea", der dritten erhaltenen Oper von Monteverdi (am Samstag in Salzburg zu sehen), ist der Alte-Musik-Experte Gardiner derzeit auf Welttournee, um den 450. Geburtstag seines "Leitsterns" zu feiern. Denn die "Marienvesper" des italienischen Komponisten, der für ihn quasi ein musikalisches Pendant zu William Shakespeare ist, war für den britischen Dirigenten der große Einstieg in die Klassikwelt, und auch seinen berühmten "Monteverdi Choir London" benannte er nach ihm.
Die Irrfahrt des Odysseus ist gerade auch beim Genie aus Cremona ein Zickzack der Gefühle. Der Held kehrt nach 20 Jahren unerkannt nach Ithaka zurück. Seine stets treue Penelope, die vermeintliche Witwe, wird von einer Fliegenschar schurkischer Freier umschwärmt, bleibt aber standhaft. Auch in Odysseus, als Bettler verkleidet, glaubt sie zunächst einen lästigen Gierling nach dem Thron zu erkennen. Bis er sie doch überzeugen kann: Er ist – ergraut, aber im Herz und den Muskeln immer noch jung und kraftvoll wie kein anderer Grieche – tatsächlich der ewig erwartete Geliebte.
Obwohl nur in halbszenischer Aufführung, lassen Gardiner und die Seinen mit ihrer Produktion an erzählerischen, bildhaften Momenten kaum etwas vermissen. Und sie strafen auch die Meinung Lügen, der "Ulisse" sei bloß das "hässliche Entlein" in Monteverdis Opern-Trilogie. Farben- und kontrastreich schwingt da die Musik von bukolischen Ensembles bis zu markigen Arien, von elegischen Chören bis zu innigen Duetten. Gardiners English Baroque Soloists sind bis in alle Orchesterstimmen fein besetzt und folgen ihrem im Sitzen leitenden Chef mit Verve. Der Ausnahmedirigent hat für sein ausgedehntes Monteverdi-Projekt aber auch eine erlesene, multinationale Gruppe an Sängern um sich, die gerade in dieser Oper stark gefordert ist.
Es wäre unfair, aus dem geschlossen formidablen 16-köpfigen Gesangsensemble jemanden hervorzuheben. Aber seien wir doch unfair! Bariton Furio Zanasi ist ein würdiger Ulisse, der auch dessen Gebrochenheit überzeugend darstellt. Gianluca Buratto hat für den Neptun eine herrliche Tiefe. Köstlich Robert Burt als fettwanstiger Rüpel Iro. Silvia Frigato ist ein frischer, frecher Amor, Hana Blažiková eine sinnliche Minerva. Am eindrucksvollsten aber singt und spielt Lucile Richardot mit reifem, virilem Mezzosopran die Penelope; die Französin wechselt übrigens erst mit 27 von der Medien- in die Opernwelt. Wenn man das gewusst hätte: Auch aus Journalisten kann noch was Anständiges werden!
Riesenjubel in der Felsenreitschule nach dreieinhalb Stunden Musik aus der Grenzregion von Renaissance und Barock, für einen innige, sinnige, sinnliche Hommage an Meister Monteverdi.
Michael Tschida