Shirin Neshat geht es, seit sie Künstlerin ist, um die Rolle der Frau, speziell um die Rolle der Frau in autoritären Staaten des Islam. "Und da sehe ich enorme Parallelen zwischen der Figur der 'Aida' und meinem eigenen Leben. Beide leben wir im Exil und sind beseelt von Schmerz, Hoffnung, Heimweh und dem Wissen um die Aussichtslosigkeit. Ja, ich identifiziere mich mit der 'Aida'".
Im vergangenen Herbst hat Shirin Neshat einen Film über die legendäre ägyptische Sängerin Umm Kulthum gedreht, der noch heuer präsentiert werden soll. Auch diese Figur ist eine herausragende Künstlerin und Frau. Der Film spielt wie die "Aida" in Ägypten, und auch Kulthum hat sich aufgelehnt gegen das System der Fanatiker. "Die 'Aida' ist zwar mein Debüt als Opernregisseurin, aber mit dem Thema 'individuelle Frauenfiguren' beschäftigte ich mich nicht zum ersten Mal. Auch für die zweite Frauenfigur, die 'Amneris', gilt das", erklärte die Exil-Amerikanerin heute im TerrassenTalk der Festspiele.
Die aktuelle Salzburger "Aida" soll definitiv nicht dem Krieg huldigen, obwohl vieles an dieser Oper ja darauf hindeutet. "Verdi und sein Librettist mussten und wollten unterhalten und haben eine europäische Vorstellung des Orients entwickelt. Aber authentisch ist an dieser Tragödie nichts", sagte die Regisseurin. "Ich halte vor allem den Triumphmarsch für extrem problematisch. Daher habe ich Tänzer eingebaut - statt des Balletts - die eine zusätzliche Ebene darstellen und die andere Seite des Krieges verdeutlichen sollen. Diesem Zweck dienen auch die in die Inszenierung eingebauten Videos, in denen ich syrische Flüchtlinge und österreichische Passanten einander gegenüberstelle. Ich interpretiere Verdi so, dass man am Ende nicht eindeutig sagen kann, wer sind die Bösen und wer sind die Guten. Ein bisschen etwas von beidem ist schließlich in uns allen."