Die Beete sind bepflanzt, die Hecken rund um das Bayreuther Festspielhaus gestutzt. Das Sicherheitspersonal dreht unaufgeregt seine Runden. Hinter den hohen Zäunen am Bühneneingang werden Wagen mit Bühnenbildern entladen. Wenige Tage vor der Eröffnung der Richard-Wagner-Festspiele am 25. Juli geht es auf dem Grünen Hügel zu Bayreuth ruhig zu. Und das ist bemerkenswert.
Schließlich konnte man fast jedes Jahr damit rechnen, dass irgendein Skandal den Adrenalinspiegel der Wagnerianer noch einmal nach oben treiben würde, bevor der erste Ton dem Orchestergraben entstieg. Mal wurde ein Sänger wegen eines früher sichtbaren Hakenkreuz-Tattoos geschasst, mal schmiss die Sängerin der Titelpartie einen Monat vor der Eröffnung hin, mal reiste kurz vor der Premiere aus undurchsichtigen Gründen der Dirigent ab.
Und heuer? Man habe Spaß an der Probenarbeit und freue sich auf die Festspiele, lassen Barrie Kosky und Philippe Jordan - Chefdirigent der Wiener Symphoniker - verlauten. Regisseur und Dirigent der diesjährigen Premierenoper "Die Meistersinger von Nürnberg" scheinen perfekt zu harmonieren, sie loben die Besetzung, die ihnen Festivalchefin Katharina Wagner und Musikdirektor Christian Thielemann organisiert haben.
Und Wagner schürt schon einmal die Vorfreude auf die "Meistersinger": "Barrie Kosky ist ein wunderbarer Regisseur", sagte sie vor wenigen Wochen auf einer Veranstaltung an der Universität Bayreuth. Es sei eine Freude ihm zuzuschauen.
Der Intendant der Komischen Oper Berlin ist Profi und ein Theatermensch aus Leidenschaft. Dass er zusammen mit Jordan Qualität abliefern wird, versteht sich fast schon von selbst. Jordan debütierte 2012 in Bayreuth, als er Stefan Herheims gefeierte "Parsifal"-Inszenierung in deren letztem Jahr dirigierte und hervorragende Kritiken dafür erntete.
Erneut zum Programm gehört neben der Neuinszenierung "Tristan und Isolde" in der Regie von Katharina Wagner und unter der musikalischen Leitung von Thielemann. Der "Parsifal" von Uwe Eric Laufenberg geht in die zweite Runde. Im Vorjahr hatte der eigentlich vorgesehene Dirigent Andris Nelsons vier Wochen vor Festspielstart das Handtuch geworfen. Warum genau - das weiß die Öffentlichkeit bis heute nicht so wirklich. Hartmut Haenchen ist eingesprungen, er steht auch heuer am Pult. Zudem wird er das Festspielorchester am 24. Juli, einen Tag vor der Eröffnung, leiten. Denn dann gibt es einen Festakt zu Ehren des einstigen Festspielchefs und Regisseurs Wieland Wagner, der vor 100 Jahren geboren wurde. Und was sehr selten ist - im Festspielhaus erklingt aus diesem Anlass nicht nur Musik von Richard Wagner, sondern es werden auch Ausschnitte aus Verdis "Otello" und Alban Bergs "Wozzeck" zu hören sein. Die Festrede hält Sir Peter Jonas, der frühere Intendant der Bayerischen Staatsoper München.
Es ist ein versöhnliches Zeichen, dass ein derartiger Festakt in Bayreuth möglich ist. Schließlich waren sich die Familienzweige Wielands und seines Bruders Wolfgang Wagner nicht immer grün. Wolfgang hatte die Festivalleitung 1951 gemeinsam mit Wieland übernommen und nach dessen Tod 1966 allein weitergeführt. Wielands Tochter Nike hatte mehrmals ihr Interesse an den Chefposten in Bayreuth formuliert und war auf Konfrontationskurs zu ihrem Onkel Wolfgang gegangen. Doch der schaffte es, seine Töchter Katharina und Eva Wagner-Pasquier 2008 als Doppelspitze zu installieren. Inzwischen ist Katharina alleinige künstlerische Leiterin.
Zum letzten Mal in Bayreuth zu sehen ist in diesem Jahr der vierteilige "Ring des Nibelungen" in der Regie von Frank Castorf. Bei der Premiere 2013 erntete seine Version der Tetralogie mit sich vermehrenden Krokodilen, Motel-Ambiente und Blowjob am Berliner Alexanderplatz heftige Buhrufe. Von Jahr zu Jahr schwand zwar die extreme Aufregung, in rückhaltlose Begeisterung schwenkte die Stimmung dennoch nicht um - es ist halt zu viel Trash fürs konservative Publikum. Offen ist, wie die Zuhörerschaft im Abschiedsjahr reagiert. Castorf indes hat inzwischen Übung im Abschiednehmen; vor wenigen Wochen ist er nach einem Vierteljahrhundert als Intendant der Berliner Volksbühne abgetreten.
Zu den Proben sei Castorf noch einmal hier gewesen, hieß es aus dem Medienbüro der Festspiele. Ob er sich in der Premierenwoche noch einmal dem Publikum zeigt, weiß man freilich noch nicht. Die Schaulustigen in Bayreuth dürften in diesem Jahr dem Festspiel-Auftakt besonders entgegenfiebern, nachdem der rote Teppich im Vorjahr aus Respekt vor den Opfern des Amoklaufs von München nicht ausgerollt wurde.
Für den 25. Juli hat sich das schwedische Königspaar Carl Gustaf und Silvia angesagt. Royalen Glanz im Festspielhaus gab es zuletzt vor 30 Jahren, als der britische Thronfolger Charles eine Vorstellung besucht hatte. Und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt wieder zur Eröffnung, nachdem sie sich im Vorjahr noch wegen Terminschwierigkeiten entschuldigen hatte lassen. Also auch an der Promi-Front scheint alles in schönster Ordnung zu sein.
Von Kathrin Zeilmann/dpa