Regen, Blitz und Donner toben über dem Steinbruch St. Margarethen - in den üppigen Videoprojektionen, die Regisseur Philippe Arlaud für seinen "Rigoletto" auf die steinerne Kulisse gekleistert hat. Und bei der Premiere zumindest anfangs auch tatsächlich, den ein Teil der Aufbauten bröckelte.  Mit Verzögerungen, Regenpelerinen, aber auch mit viel Jubel hat das Verdi-Spektakel dennoch einen gelungenen Start hingelegt.

Durchnässte Sänger

Pünktlich zum Einlass näherte sich eine Unwetterfront dem weitgehend ungeschützten Operngelände und sorgte bis weit nach der geplanten Startzeit für Bangen um den Premierenabend. Der Entschluss, mit Verzögerung trotzdem zu starten, erwies sich letztlich als richtig - auch wenn sich Sänger wie Publikum zum Ende des ersten Aktes gründlich durchnässt fanden und dabei auch das eine oder andere Mikrofon in Mitleidenschaft gezogen wurde. Ab der zweiten Hälfte hatte sich der Himmel geklärt, und das Unwetter war auf die Leinwand übersiedelt.

Auch visuelle Gewitter

Dort tobt es dafür umso gründlicher, wobei das visuelle Gewitter nicht nur in Form von Blitzen hernieder geht, sondern auch als drehende Luster, als Feuersbrust und zuletzt als völliger Zusammenbruch des bröckelnden Steinbruchs. Als Rigoletto seine Tochter sterben lassen muss, implodiert die imposante Kulisse, und aus dem bedrohlich aufgetürmten Dodekaeder fällt - endlich - der baumelnde Felsbrocken zu Boden, ein Symbol des Fluchs, dessen Funktion sich über Stunden gefährlich suggeriert - um dann als überraschend langsamer Effekt ein bisschen zu enttäuschen.

Überhaupt punkten Arlauds zahlreiche Effekte eher mit Quantität als mit Qualität. Nervöse Filmchen flimmern hier und dort über Leinwände und bebildern die Szenen recht beliebig, eine gewaltige blutrote Treppe ergießt sich aus einem gespaltenen Turm, in lässig hingewürfelten Quadern morden und betören Sparafucile und seine Schwester. Bei Hof sind die Artisten zu Gange, auch sie fest im Griff eines blutigen Rot in Rot. Für Bühne, Regie und Licht zuständig, bespielt Arlaud den Steinbruch optisch lustvoll, technisch raffiniert - und semantisch oberflächlich.

Elektronische Verstärkung

Nicht genutzt werden die Projektionen für Nahaufnahmen der Bühnenhandlung - weshalb die darstellerische Leistung des Ensembles im Detail kaum zu beurteilen ist. Zu weit weg purzeln sie wie Schachbrettfiguren durch das übermächtig illustrierte Schicksal. Und auch die insgesamt sehr hohe gesangliche Qualität ist ob der elektronischen Verstärkung mitunter nicht ganz leicht zu differenzieren.

So ließ Elena Sancho Pereg als Gilda mit perlenden Koloraturen und kraftvollen hohen Lagen aufhorchen, verstrickte sich in tieferen Regionen aber wiederholt in dumpfe Wechselwirkungen mit der Verstärkung. Yosep Kang als Herzog schmetterte seine Partie mit großer Fülle und geschmeidiger Patina, musste in den Höhen aber trotz Mikro forcieren. Robust, vieldimensional und eindringlich wirkte Vladislav Sulimskys Bariton in der Titelrolle.

Die entscheidenden Momente dieser wahrscheinlich düstersten Oper Giuseppe Verdis spielen sich freilich weder in Chören, noch in Arien, sondern in Duetten und Quartetten ab, Schlüsselszenen sind auch im Orchester vorwiegend klein besetzt - dass der "Rigoletto", der sich darob leichter als intimes psychologisches Kammerspiel lesen ließe, wegen seiner großen Popularität gern auf opulente Open-Air-Formate aufgeblasen wird, ist ein altes Problem, dem diese Musik allerdings stets standzuhalten weiß.

Tonprobleme

Das tut sie auch im Steinbruch - das Orchester weder sichtbar noch direkt hörbar, nur per Lautsprecher übertragen aus dem Inneren der Bühne -, wenn auch nur knapp. Die tontechnische Abnahme und Abmischung wird sich im Laufe dieses Open-Air-Sommers sicherlich noch verbessern, wird dem Orchester hoffentlich zu lauterem, raumgreifenderem Klang verhelfen, der die Unzugänglichkeit der Musiker für das Bühnengeschehen nicht klar betont, sondern ein Stück weit vergessen lässt. Dann dürfte man sich auch noch wünschen, dass Dirigentin Anja Bihlmaier unter solchermaßen verbesserten Bedingungen einen mutigeren Verdi anpackt, weniger Wasser und mehr Wein hineingießt, klarer konturiert und inniger leidet.

Für den Premierenjubel ist das mittelmäßige Wetterpech jedenfalls stets förderlich: Eine im Regenpelerinen-Look zusammengeschweißte Truppe hat gemeinsam etwas erlebt, ein Abenteuer bestanden und hat, als weit nach Mitternacht das Feuerwerk gezündet wird, seine Helden auf der Bühne frenetisch für seine Mühen entschädigt. Die Projektion des Steinbruchs in Trümmern erlischt. Er ist noch da. Bis 19. August wird noch 18 mal gespielt.

("Rigoletto" von Giuseppe Verdi und Franceso Maria de Piave. Musikalische Leitung: Anja Bihlmaier. Regie, Bühne und Licht: Philippe Arlaud. Mit Yesep Kang, Vladislav Sulimsky, Elena Sancho Pereg, Sorin Coliban, Annely Peebo, Clemens Unterreiner. 18 weitere Vorstellungen bis zum 19. August. Oper im Steinbruch St. Margarethen; www.arenaria.at)