Manches nimmt man ernst, indem man es leichtnimmt. Antonio de Literes’ Barockoper „Los Elementos“ zum Beispiel: Das ehrwürdige Werk wird morgen in der Grazer List-Halle zum temperamentvollen Tanzereignis. Der spanisch-argentinische Schauspieler und Regisseur Adrian Schvarzstein inszeniert bei der styriarte den musikalischen Wettstreit von Erde, Feuer, Wasser und Luft als Primadonnenzwist in einer spanischen Provinzbar.
Nebst der Zeit und der Morgenröte treten da auch die Flamencovirtuosen Carolina Pozuelo und Miguel Lara auf, Schvarzstein und der Leiter des Ensembles Le Tendre Amour Esteban Mazer haben zu diesem Behufe Musik von Santiago de Murcia in de Literes’ Werk eingebaut. Bei „Los Elementos“, erzählt der Theatermacher, ging es darum, ein historisches Musikstück fürs heutige Publikum zugänglich zu machen. Dieses findet sich folgerichtig zwischen Schinken, Weinflaschen und Fußballpostern wieder, wird angeflirtet und per Possen zum Lachen gebracht.
Derart legerer Umgang mit dem musikalischen Erbe hat Schvarzstein auch Kritik eingebracht. „Aber wenn es uns nur ums Bewahren geht, töten wir die Musik“, entgegnet er. „Ich will das Publikum zum Nachdenken und Mitfeiern bringen und so die Musik am Leben erhalten.“ Wer Schvarzstein kennt, und das dürften in Graz etliche sein – er hat etwa als „Green Man“ bei La Strada und im Cirque Noël mit Produktionen wie „Call me Maria“ und „Circus Klezmer“ entzückt –, weiß um seine leichtfüßige Annäherung an komplexe Themen. Und diese hat längst etliche Fans unter Stars der Hochkultur.
Schvarzstein hat mit Jordi Savall und seinem Ensemble gearbeitet, für das Oude-Musikfestival Utrecht ließ sich Emma Kirkby, die Königin der Alten Musik, lustvoll auf die Zusammenarbeit mit seinem Straßentheater Kamtchatka ein. „Diese Leute sind es ja auch müde, immer das Gleiche zu machen“, sagt Schvarzstein. Dass er vor allem ein junges Publikum ansprechen will, ist kein Geheimnis: „Seit die Musik Mitte des 19. Jahrhunderts in große Hallen übersiedelt wurde, traut man sich während der Aufführungen als Zuhörer ja kaum noch, Luft zu holen“, sagt er. „Das muss sich wieder ändern.“
Ohne tief Luft zu holen, dürfte es bei der styriarte heuer aber sowieso nicht gehen. „Tanz des Lebens“ ist das Motto des Festivals. Die traditionell bei freiem Eintritt zugängliche Eröffnung heute (23. Juli) bestreiten Ensembles wie Eddie Luis und die Gnadenlosen, Inganzo, die Schuhplattlergruppe d’Dochstoana, der HIB.art.chor Liebenau nebst der Neuen Hofkapelle Graz und dem Pianisten Philipp Scheucher. Tanzschuhe auspacken ist ausdrücklich erlaubt.
Ute Baumhackl