Der Musikgeschmack der Nationalsozialisten fiel bekanntlich recht eindimensional aus. All jene Werke, die nicht alt genug waren, von Richard Wagner stammten oder vor ideologischem Kitsch troffen, galten als „entartet“. Dies betraf vor allem Schöpfungen moderner Komponisten, die der avantgardistischen Zwölfton-Technik entsprachen.

Arnold Schönberg, Franz Schreker oder Ernst Krenek waren berühmte Nazi-Boykott-Opfer. Kam dazu noch eine jüdische Abstammungslinie, konnten sie ihres Lebens sowieso nicht mehr sicher sein.

Verfolgte Frauen

Auf dem Gipfel der Unerwünschtheit rangierten Komponistinnen wie die Deutsche Charlotte Schlesinger, eine Schülerin Schrekers. Sie musste ins sowjetische Exil flüchten. Oder die Musiktherapeutin Vally Weigl, eine Wienerin, die nach Amerika emigrierte. Nach England floh die österreichische Pianistin Hilda Loewe alias Henry Love, wo sie dann eine verdiente Karriere machte.

Diesen und weiteren Komponistinnen widmet das engagierte EntArteOpera Festival von heute bis 2. Oktober einen Schwerpunkt. Das Konzert „Verbotene Klänge“ demonstriert Beispiele des spannenden musikalischen Schaffens, das wider den Zeitgeist im Verborgenen blühte (23. 9., Konzerthaus).

Der Wiener Concert-Verein spielt „Ungehörige Komponistinnen“ mit Werken von Ethel Smyth, Gustav Mahler, Vitezslava Kaprálová und Bohuslav Martinu (2. 10., Musikverein). Höhepunkt des Festivals ist die österreichische Erstaufführung der Oper „Baruchs Schweigen“ der zeitgenössischen israelischen Komponistin Ella Milch-Sheriff nach einem Libretto von Yael Ronen, die am Grazer Schauspielhaus Erfolgsproduktionen wie „Hakoah Wien“ und „Niemandsland“ verantwortet hat.

Yael Ronen verfasste das Libretto für "Baruchs Schweigen"
Yael Ronen verfasste das Libretto für "Baruchs Schweigen" © KLZ/EDER

Ronen hat darin das Tagebuch von Milch-Sheriffs Vater verarbeitet, eines traumatisierten Holocaust-Überlebenden. Mit hochemotionaler Tonsprache thematisiert die Komponistin die Frage nach dem Weiterleben mit Schuldgefühlen und Albträumen. Christian Schulz hat die musikalische Leitung, die Inszenierung stammt von Beverley und Rebecca Blankenship (Premiere morgen). Sehenswertes Rahmenprogramm: die Ausstellung „Marsch der Frauen“, Theaterperformances und das Symposium „Sind Komponistinnen entartet?“.

EntArteOpera Festival: ab heute bis 2. Oktober.
www.entarteopera.com