„Südamerikanisches Temperament“ hatte Intendant Mathis Huber mit Einspringer No. 3 für Nikolaus Harnoncourt im Beethoven-Zyklus versprochen. Keine kühne Prognose, ist doch Andrés Orozco-Estrada Kolumbianer und bringt stets Cayenne ans Pult mit. So wartete der 38-Jährige, seit seinem Studium in Wien verwurzelt und bis 2009 Chef von „recreation“ in Graz, am ersten von zwei Abenden im Stefaniensaal auch mit einer gepfefferten Interpretation von Beethovens 9. Symphonie auf. Dass Señor Ungestüm da und dort feinere Nuancen fehlen ließ, tat dem imposanten Gesamteindruck keinen Abbruch. Und auch nicht, dass so manche Darmsaite in der Hitze der Gefechte schnalzend ihren Geist aufgab, wie beim stoischen Konzertmeister Erich Höbarth.
Am schlüssigsten gelang Orozco-Estrada mit dem so energischen wie elastischen Concentus Musicus der zweite Satz des 75-Minuten-Opus, mit den einzelnen Stimmgruppen modellierte er auch die frühlingshaften Sequenzen formschön.
Zum Triumph des Finales samt der „Ode an die Freude“ trug der wie immer blendend disponierte Schoenberg Chor Wesentliches bei, detto das Solistenquartett: Neben Elisabeth Kulman (Mezzo), Steve Davislim (Tenor) und Florian Boesch (Bass) war mit Regula Mühlemann noch ein weiterer Ersatz am Werk, und das bezaubernd brillant; die 30-jährige Schweizer Sopranistin war erst am Vorabend des Konzerts in Graz gelandet und sang (erstmals) die „Neunte“, statt der erkrankten Genia Kühmeier. Standing Ovations für hell stiebende „Götterfunken“.