Würde das heurige Programm auch so aussehen, wenn Sie gewusst hätten, dass Sie damit vorzeitig von Salzburg Abschied nehmen?
ALEXANDER PEREIRA: Ich denke: Ja. Ich bin sehr glücklich mit dem, was wir haben und sehe, dass die Proben sehr harmonisch laufen. Ich habe wirklich ein sehr gutes Gefühl.

Erfüllt es Sie mit Wehmut, dass Ihr letzter Sommer als Festspielintendant in Salzburg bevorsteht?
ALEXANDER PEREIRA: Natürlich, aber das Leben schickt einen auf Reisen, mit denen man nie gerechnet hat. Lange, bevor es in Diskussion stand, ob ich in Mailand etwas machen soll, ist meine Partnerin Daniela nach Mailand gegangen, um dort zu studieren. Kurz darauf kam die Anfrage der Scala. Manchmal sind die Kräfte des Himmels oder der Hölle stärker als man selbst.

Der offiziellen Eröffnung stellen Sie wieder die von Ihnen kreierte "Ouverture spirituelle" voran, die auch nach Ihrem Abgang Bestand haben soll. Was bieten Sie zum Motto "Christentum und Islam"?
ALEXANDER PEREIRA: Wir sind alle wahnsinnig gespannt, denn es ist uns gelungen, dafür den Sufi-Orden Al-Tariqua al-Gazoulia aus Kairo zu begeistern, der erstmals seine Riten und Zeremonien in einem öffentlichen Raum, bei uns in der Kollegienkirche, zeigen wird. In einer Welt, die immer mehr mit der Integration kämpft, ist es mir wichtig zu zeigen, dass die Salzburger Festspiele eine einigende Institution ist, die Fenster öffnet.

Warum gibt es heuer als eine Säule des Konzertprogramms einen Zyklus mit allen Symphonien von Anton Bruckner?
ALEXANDER PEREIRA: Bruckner ist immer noch ein Komponist, der nicht die Massen in Bewegung setzt. Aber wenn die Salzburger Festspiele einen kompletten Bruckner-Zyklus anbieten, ist das schon eine Ansage. Das Wichtigste war mir dabei, dass die Wiener Philharmoniker jene Symphonien spielen, die sie uraufgeführt haben.

Sie bieten heuer drei Konzerte an, die zuvor schon bei der "styriarte" in Graz zu erleben waren: Nikolaus Harnoncourts Deutung der drei letzten Mozart-Symphonien sowie Jordi Savalls "Bal.Kan"-Projekt und Pierre-Laurent Aimards Interpretation von Bachs "Wohltemperiertem Klavier".
ALEXANDER PEREIRA: Damit habe ich überhaupt kein Problem. Das zeigt ja nur, dass die "styriarte" in Graz ein ausgezeichnetes Festival ist.

Haben Sie für den "Don Giovanni" Ihr Ideal eines Mozart-Ensembles gefunden?
ALEXANDER PEREIRA: Bei den Proben gewinne ich den Eindruck, dass wir eine wirklich stimmige Besetzung haben. Ersetzen mussten wir Genia Kühmeier, die ihren Mann verloren hat. Die Donna Anna singt statt ihr Lenneke Ruiten, deren auf Youtube veröffentlichte Interpretation der "Cosi fan tutte"-Arie "Per pietà" zum Schönsten und Berührendsten zählt, was ich je gehört habe.

Dirigent Christoph Eschenbach und Regisseur Sven-Eric Bechtolf haben beim Start der Mozart-Trilogie mit "Cosi fan tutte" im Vorjahr harsche Kritiken geerntet.
ALEXANDER PEREIRA: Das hat mir sehr weh getan, weil ich es nicht verdient fand. Die neue Produktion wird sich aber auch konzeptuell sehr stark unterscheiden. Szenisch hat Sven-Eric Bechtolf eine sehr interessante Idee gehabt und der "Don Giovanni" ist Eschenbachs Leib- und Magen-Stück.

Bietet Bechtolf ein Remake seiner Zürcher Inszenierung?
ALEXANDER PEREIRA: Die Salzburger Produktion hat mit Zürich überhaupt nichts zu tun. Sie wird in der Franco-Zeit in Spanien spielen.

Sie wollten in jedem Jahr eine Opernuraufführung bringen. Im dritten Sommer klappt es erstmals. Ist Marc-André Dalbavies "Charlotte Salomon" der ideale Auftakt für diese geplante Serie?
ALEXANDER PEREIRA: Es passt ideal zum Jahresthema, das sich 100 Jahre nach 1914 mit dem Krieg auseinandersetzt. Die geplante Uraufführung von György Kurtág mussten wir auf nächstes Jahr verschieben, weil "Fin de partie" nach Samuel Beckett noch nicht fertig ist. Mit Dalbavie bin ich sehr glücklich.

Ist er der beste Interpret seines Werkes?
ALEXANDER PEREIRA: Wenn Komponisten dirigieren können, habe ich das immer gerne, weil sie noch vor der Uraufführung etwas hinzu- oder wegkomponieren können.

Beim "Rosenkavalier" von Richard Strauss schreiben Sie Festspielgeschichte, weil Sie ihn erstmals ungekürzt aufführen.
ALEXANDER PEREIRA: Dirigent Franz Welser-Möst findet diese Striche, die hauptsächlich die Partie des Ochs auf Lerchenau betreffen, ebenso unnotwendig wie ich.

Warum haben Sie Harry Kupfer, der hier zuletzt 1989 die "Elektra" inszeniert hat, mit 79 Jahren zurück nach Salzburg geholt?
ALEXANDER PEREIRA: Er hat in Zürich Wagners "Meistersinger" inszeniert, und das war eine so geschlossene, klare, exzellent erzählte Aufführung, dass ich ihm den "Rosenkavalier"angeboten habe. Er war sofort Feuer und Flamme.

In welcher Zeit spielt seine Inszenierung?
ALEXANDER PEREIRA: 1911, im Jahr der Uraufführung.

Weshalb haben Sie die beiden Hauptpartien Rollendebütanten anvertraut?
ALEXANDER PEREIRA: Ich wollte keinen alten Ochs auf Lerchenau und glaube dass Günter Groissböcks Gestaltung der Partie eine Sensation werden wird.

Ist Verdis "Troubadour" wegen der Mitwirkung von Anna Netrebko und Plácido Domingo die am stärksten überbuchte Opernproduktion des Sommers?
ALEXANDER PEREIRA: Ja, wir könnten drei Mal so viele Karten verkaufen.

Plácido Domingo hat sich vor Probenbeginn kritisch über das Regiekonzept von Alvis Hermanis geäußert.
ALEXANDER PEREIRA: Die beiden haben inzwischen miteinander gearbeitet und sich gemeinsam die Fußballweltmeisterschaft im Fernsehen angeschaut. Sie sind jetzt ein Herz und eine Seele. Da habe ich keine Sekunde Angst gehabt.

Wird dieser "Troubadour" szenisch auch so extrem wie die aus Wien importierte Berliner Produktion, in der Anna Netrebko und Plácido Domingo ihre Rollendebüts gefeiert haben?
ALEXANDER PEREIRA: Nein, absolut nicht. Unsere Produktion spielt in einem Museum. Die Personen, die zunächst wie Angestellte wirken, verwandeln sich in die Figuren der großen Gemälde des 16., 17. Jahrhunderts, die in diesem Museum ausgestellt sind. Ich glaube, es wird eine sehr interessante, hochästhetische Aufführung.

Belässt Regisseur Peter Stein Franz Schuberts "Fierrabras" in der Zeit von Karl dem Großen?
ALEXANDER PEREIRA: Er spielt zur Zeit der Kreuzzüge.

War die "Fierrabras"-Absage von Nikolaus Harnoncourt ein schwerer Schlag für Sie?
ALEXANDER PEREIRA: Natürlich, aber ich verstehe seine Gründe und freue mich, dass wir in Mailand weiter zusammenarbeiten werden. Am 15. Oktober 2015 führt er bei der Expo die 7. und 8. Symphonie von Beethoven mit dem Concentus Musicus auf.