Der designierte Burgtheater-Intendant Martin Kušej im APA-Pressegespräch über...

...seine NERVOSITÄT: "Ich bin ein alter Theaterprofi, aber ich bin jetzt ein bisschen nervös, das gebe ich zu. Ich komme aus dem beschaulichen München und da ist ein bisserl weniger los, wenn man Intendant wird. Ich bin sehr stolz und sehr froh, dass ich hier stehen darf, dass ich diese Aufgabe übernehmen darf."

...das RESIDENZTHEATER MÜNCHEN: "Ich bin dort 2011 angetreten mit der Aufgabenstellung einer deutlichen Neuausrichtung dieses Theaters, das ein bisschen in einem Dornröschenschlaf gelegen ist. Das ist gelungen. Wir haben das Residenztheater wieder unter die ersten drei, vier Positionen im deutschsprachigen Raum gebracht. Wir haben ein tolles und neues Publikum und ein hervorragendes Ensemble in München. Es ist vielleicht sogar eine blöde Entscheidung, dort wegzugehen. Das sind paradiesische Zustände in München. Aber wenn es richtig gut läuft im Sport, wenn man weit vorne ist, ist es Zeit, sich neue Herausforderungen zu suchen."

...seine RÜCKKEHR: "Ich bin vor 25 Jahren, 1992, aus dem dritten Bezirk ausgezogen und nach Deutschland gegangen. Jetzt komme ich zurück. Aber ich habe in der Zeit auch hier gearbeitet, habe die Kulturszene hier verfolgt. Ich kann nicht anders, ich bin halt Österreicher. Und deshalb ist es ein besonderer Job, Burgtheater-Direktor zu werden."

...WIEN und MÜNCHEN: "Es ist keine Sache des Vergleichens, sondern eine der Entwicklung, von Weitergehen. Es sind zwei tolle Theaterstädte. Es geht aber immer noch besser. Ich sehe hier meine Aufgabe, ein schon sehr gutes Theater noch besser zu machen."

...die ZUKUNFT DES THEATERS: "Ich habe mir überlegt, was es bedeutet, ein so großes und traditionsreiches Theater in die Zukunft zu führen. Wir werden im Theater verschiedene Herausforderungen in der Zukunft haben, und ich sehe es als meine Aufgabe, die nächsten 20, 30, 40 Jahre vorzuplanen. Das heißt nicht, dass ich 20, 30, 40 Jahre Intendant bleiben will, aber irgendjemand muss anfangen zu sagen: Wo geht's hin? Unter den großen Herausforderungen sehe ich eindeutig die Konkurrenz durch das digitale Zeitalter. Ich will dem ganz bewusst die analoge Welt des Theaters gegenüberstellen."

...ENSEMBLETHEATER: "Im Zentrum steht der Schauspieler. Ich finde, dass das postdramatische Theater durchaus herausfordernde Erlebnisse gebracht hat. Manchmal habe ich aber das Gefühl, wir haben uns da alle zusammen in eine ziemliche Sackgasse manövriert. Das klingt zwar ganz gut, wenn man das theoretisch hört, ich erinnere zum Beispiel an die Wiener Festwochen unlängst, aber es ist schon brutal, wenn dann so etwas wie ein Ensemble oder Schauspielerinnen und Schauspieler wegrationalisiert oder wegdiskutiert werden. Sie hören von mir ein klares Bekenntnis zum Schauspielertheater und zum Ensembletheater."

...KINDER- und JUGENDTHEATERARBEIT: "Ich glaube, dass Kinder- und Jugendtheaterarbeit extrem wichtig ist, weil wir da unsere künftigen Zuschauer ins Theater bringen und ans Theater binden. Das wird in meiner Intendanz ein zentralerer Punkt sein als es jetzt vielleicht ist."

...MULTIKULTURELLES THEATER: "Wir haben es mit der Realität einer tatsächlichen multikulturellen Gesellschaft zu tun. Faktum ist, die Nationalisten und sogenannten Patrioten können krakeelen soviel sie wollen, wir haben eine multikulturellen Gesellschaft. Wenn ich in Wien mit der Straßenbahn oder U-Bahn fahre, habe ich es sofort mit mindestens sechs oder sieben verschiedenen Sprachen und Kulturen zu tun, die um mich herumsitzen. Es kann nicht sein, dass wir mittel-und langfristig das Theater durch eine einzige singuläre Sprache, nämlich Deutsch, definieren. Wir müssen uns dieser Realität stellen."

...POLITISCHE HALTUNG: "Das Burgtheater muss beispielhaft wieder eine klare Haltung zeigen. Ich bin jemand, der Klartext redet. Ich bin Gott sei Dank jemand, der sich als Künstler und Theaterleiter nicht um Koalitionen kümmern muss. Ich meine, dass es an der Zeit ist, wieder politisch zu werden. Auch das Burgtheater hatte einmal eine Zeit, in der es sehr politisch war. (...) Für mich ist es ganz klar, dass ich erst einmal eine Haltung gegen die FPÖ und jede Form von rechtem Populismus einnehme. Das ist schon genetisch in mir drinnen. Aber vielleicht kann man ja mit denen auch reden. Würde ich machen. Kein Thema!"

...KUNST: "Der zentrale Punkt ist aber nicht Politik oder Gesellschaft, sondern Kunst. Ich habe als Regisseur wie als Theaterleiter eine Verantwortung dafür, dass Kunst vermittelt wird. Ich bin von der lebensnotwendigen Funktion von Kunst überzeugt. Man könnte es auch Seelenbildung nennen, materienlosen Gewinn."

...NEUES: "Ich stehe für Veränderung, Irritation und Aufregung. Und vor allem soll es immer etwas Neues sein."

...OPERNREGIE: "Ich habe eine Opernkrise. Deswegen schaue ich mir sehr genau an, wo es Sinn und Spaß macht, Oper zu inszenieren. Ich bin aufgrund meiner Erfahrung in eine gewisse Nachdenklichkeit geraten, was die Produktionsbedingungen von Oper betrifft."

...BILANZENLESEN: "Bilanzen kann ich auf jeden Fall lesen, ich bin jetzt sechs Jahre Intendant und war auch in Salzburg mit Budgetfragen befasst. Ich weiß immer, wo ich stehe und wie viel Geld wir haben oder nicht haben. Dass soll aber trotzdem nicht bedeuten, dass wir nicht einfach auch mal sinnlos blöd Geld ausgeben dürfen, einfach, weil wir es wollen, weil Kunst nicht immer nur sparen darf."

...SKANDALE: "Die letzten Jahre des Burgtheaters waren ja leider von Skandalen geprägt. Wenn es Skandale am Burgtheater mit mir in der Zukunft gibt, dann höchsten auf der Bühne. Ansonsten auf keinen Fall."

...RADIKALITÄT: "Es ist wieder an der Zeit, etwas zu machen, das ähnlich radikal ist, wie es die Berliner Volksbühne vor 25 Jahren war, oder wie es die Peymann-Zeit für Wien war. Ich will Vollgas geben."