Martin Kušej ist heute einer von Österreichs bekanntesten Bühnenregisseuren. Der 55-jährige, gebürtige Kärntner feierte in seiner Karriere Riesenerfolge und lieferte einige veritable Skandale. Am Donnerstag kehrte der Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels in München für ein Künstlergespräch an seine Ausbildungsstätte, die Kunstuniversität Graz (KUG), zurück.

Bevor der bestens gelaunte Regisseur aus dem Nähkästchen plauderte und seine bunte Karriere in all ihren Facetten Revue passieren ließ, versuchte KUG-Rektorin Elisabeth Freismuth das etwas sperrige Motto des Abends, "Transkulturelle Künstlerbiografien, internationale Vernetzung und die Überwindung von (Sprach-)Grenzen im Sprechtheater des 21. Jahrhunderts" zu erklären.

Rückkehr an den Ausbildungsort

Nachdem je zwei junge Schauspielerinnen und Schauspieler in einer Art Vorspielsituation Talentproben abgeliefert hatten, begann die von ORF-Kulturchef Martin Traxl moderierte Reise durch Kušejs Vita. Diese führte von seinen Grazer Zeiten als Student - zuerst Sport und Deutsch an der benachbarten Karl-Franzens-Universität, dann Schauspiel an der damaligen Hochschule für Musik und darstellende Kunst über prägende Erfahrungen in Laibach (Ljubljana). Dort verfestigte der Kärntner seine Identität als zweisprachiger Österreicher. Dann spannte sich der Bogen weiter bis zu seinen Engagements an einigen größten Theaterinstitutionen des deutschen Sprachraums.

Sprachlich jonglierte Kušej zwischen Anflügen von Kärntner und Grazer Dialekt sowie der in Deutschland üblichen Alltagssprache. Auffallend oft verwendete er auch Versatzstücke aus der Jugendsprache. So bezeichnete er etwa die Jahre am Nationaltheater im damals noch jugoslawischen Ljubljana als "supercoolste Zeit meines Lebens". Seine "wilden Jahre" beschrieb er ebenso flapsig: Das Klima am Grazer Sport-Institut der 1980er-Jahre war für ihn das einer "marxistischen Kifferhöhle", das Deutsch-Institut empfand er als "verstaubt".

"Saalschlacht" bei "Kabale und Liebe"

Genüsslich servierte er anschließend Erinnerungen an seine größten Theaterskandale. Kušej nannte insbesondere die Inszenierung von Schillers "Kabale und Liebe" 1992 in Klagenfurt, die zu einer regelrechten "Saalschlacht" ausgeartet sei. Kušej erinnerte auch an die Massenabwanderungen aus dem Publikum während der Vorstellungen seines legendären "Fidelio" in Stuttgart, und bei zwei ebenfalls unkonventionellen Inszenierungen in Graz.

Sein größtes Erlebnis an der Oper, zu der er nach eigener Beschreibung anfangs widerwillig gefunden hatte, bleibt für ihn bis heute die Zusammenarbeit mit Nikolaus Harnoncourt, Anna Netrebko und Thomas Hampson bei seiner Inszenierung von Mozarts "Don Giovanni" bei den Salzburger Festspielen im Jahr 2002. Dass er auf diese Zeiten mit einem Quäntchen Nostalgie zurückblickt, ließ er mit der auf seine aktuelle Position als Intendant des Münchner Residenztheaters gemünzte Bemerkung "Jetzt bin ich so'n alter Sack, der in einem Staatstheater sitzt" durchblicken.

Ein kurzweiliger Erzählmarathon

Am Ende des fast zweistündigen, aber dank Kušejs Erzählfreude und Traxls pointierter Moderation kurzweiligen Erzählmarathons, stellte sich der Regisseur einigen Fragen aus dem Publikum. Nachdem er nach seiner schlimmsten Erfahrung als Regisseur gefragt, die Inszenierung von "Richard III" (1996, Volksbühne Berlin) ohne nähere Erläuterung als das "dunkelste Kapitel meines Lebens" bezeichnet hatte, beendete der theaterfürstlich auf einem ledernen Lehnsessel auf dem Podium platzierte Kušej den Abend kurzerhand mit einem resoluten "Das war's jetzt!".